146 RupoLpH SoHM: Bürgerliches Recht.
nen Glieder kommen? Darum hat das bürgerliche Gesetzbuch die Rechte des
Gläubigers gegenüber dem (schuldhaft) in Verzug befindlichen Schuldner ge-
steigert (oben S. 114); darum werden alle Sachenrechte, auch die Rechte am
Grundstücke, als Geldwert bedeutende Rechte behandelt (oben S. 131); darum
bevorzugt das bürgerliche Gesetzbuch den Schutz des gutgläubigen Erwerbers
vor dem Schutz des bestehenden Eigentums (oben S. 103, 126—129). Mit dem
geldwirtschäftlichen Verkehr ist das Freiheitsbedürfnis des Einzelnen ver-
bunden; darum ist das Eigentumsrecht und das Besitzrecht des bürgerlichen
Gesetzbuchs demokratisch geartet (oben S.87, 107). Auf dem Gebiete des Schuld-
rechts gilt der Grundsatz der Vertragsfreiheit (oben S. 110), auf dem Gebiete des
Familienrechts die gehobene Rechtsstellung der Frau, auch der Kinder (oben
S. 95, 14I, 146), auf dem Gebiete des Erbrechts die Freiheit der Verfügung von
Todes wegen unter Wahrung des Grundsatzes der Gleichberechtigung der Kinder
(oben S. 148, 149). Auch die in unserem bürgerlichen Gesetzbuche vollzogene
Trennung des kirchlich-religiösen Lebens vom Rechtsgebiet (oben S. 135 f.) hat
mit dem Freiheitsgedanken Zusammenhang. Aber durch das Gewebe des
kapitalistisch-freiheitlichen Rechts geht ein Einschlag von sozialer Färbung:
der Schutz des Arbeitserwerbs für die Frau in den besitzlosen Kreisen (oben
S. 142), der Schutz des wirtschaftlich Schwächeren durch die Neugestaltung
des Mietrechts und des Rechts vom Arbeitsvertrage (oben S. ı15ff.), die Er-
möglichung einer gesunden Bodenpolitik durch das Erbbaurecht (oben S. 130),
die Förderung aller sozialen Interessen durch die Fortbildung des Vereinsrechts
(oben S. 100). In dem Inhalt des bürgerlichen Gesetzbuchs spiegeln sich die dem
geldwirtschaftlichen Verkehr, der Freiheit, dem Schutz des Einzelnen und zu-
gleich der Hebung des ganzen Volkslebens zugewandten Leitgedanken der
bürgerlichen Kultur der Gegenwart.