Full text: Die Kultur der Gegenwart. Band 2.8. Systematische Rechtswissenschaft. (8)

Die Handels 
rechtsquellen. 
158 KARL GAREIS: Handels- und Wechselrecht, 
Kapital allein in steigendem Maße admassiert und konzentriert, sondern auch 
die menschliche Kraft, die Arbeit, die Geistesarbeit und die Arbeit der Hände, 
alles im Dienste des handelsrechtlich gebildeten Großkapitals, sei es in der 
Funktion des Generaldirektors oder des niedrigsten Handlangers. Nun denke 
man zu diesen Massenansammlungen noch die Macht der Kartelle und der 
Trusts, und man wird gestehen müssen, daß es dem Handelsrecht gelungen ist, 
Kraftakkumulatoren zu schaffen, die — sagen wir einstweilen noch: nahezu — 
von überstaatlicher Vehemenz sind und ein Zusammengehen der mächtigsten 
Staaten noch voraussetzen dürften, wenn ihnen ein Schranke von außen mit 
Erfolg gesetzt werden sollte. Man denke an die Rolle, welche die Frage der 
staatlichen Stellung zu den Trusts in der Präsidentschaftswahlbewegung in den 
Vereinigten Staaten Nordamerikas in unseren Tagen spielte. Vorderhand er- 
scheint jene enorme Kapital- und Arbeitskonzentration aber noch zweifellos 
notwendig; wir bedürfen sie, um die im Laufe des letzten Jahrhunderts großartig 
in den Dienst der menschlichen Kultur gestellten Naturkräfte, des in Dampf- 
form gebrachten Wassers, der Explosionskraft und der Triebkraft bestimmter 
Gase, und vor allem der Elektrizität möglichst reich verwerten zu können; 
wir bedürfen jener enormen Konzentrationen, die den Blick und die Kraft des 
einzelnen überragen, vor allem, weil wir um’ des Weltfortschritts willen des 
Welthandels bedürfen, der seinerseits sein Handelsrecht, das Welthandels- 
recht braucht. 
I. Das Verhältnis zwischen Handelsrecht und allgemeinem 
bürgerlichen Recht. Betrachtet man die handelsrechtlichen Institute im 
einzelnen, so nimmt man wahr, daß ein Teil der zu einer gewissen Zeit dem 
Handelsrecht erwachsenen Aufgaben nach und nach vom allgemeinen Rechte 
erfüllt, und zwar so erfüllt wird, daß auch der Handel und Handelsstand es 
nicht anders braucht oder wünscht; dadurch wird dem Handelsrecht einerseits 
das Feld beschnitten, aber anderseits wächst ihm immer neues Land zu: mag 
das allgemeine bürgerliche Recht noch so zeitgemäß und vollständig entwickelt 
sein, die Existenz eines besonderen Handelsstandes und die internationalen 
Berührungen, die der Handel schafft und von denen sein Recht immer wieder 
beeinflußt wird, werden stets bewirken, daß neben dem allgemeinen Privatrecht 
immer noch Handelsrecht besteht, ja immer wieder neues Handelsrecht entsteht. 
Zahlreiche Geschäfte des Wertpapier- und des Bankverkehrs und der Börsen- 
verkehr, sowie schließlich auch die internationale Beeinflussung des Geld-, 
Waren- und Arbeitsmarktes werden der Rechtsbildung in Handelssachen, sie 
sei einzelstaatlich, gesetzgeberisch oder gewohnheitsrechtlich, oder sie sei völker- 
rechtlich-konventional, soweit wir in die Zukunft zu schauen vermögen, noch 
genug Aufgaben stellen, die nur in handelsrechtlichen Sondernormen gelöst 
werden können. 
Die Entstehung und Fortbildung des Handelsrechts in Deutschland, 
Frankreich und England — diese drei Länder kommen mit ihren Handelsrechten 
als typisch allein in Betracht — zeigt deutlich, welche Voraussetzungen vorzu-
	        
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