„Handel'‘ und
Handelsgericht.
160 Kar GAREISs: Handels- und Wechselrecht.
und die Wechselrechte der skandinavischen Staaten und Rußlands ein-
gereiht werden.
Aber rastlos gehen die Neubildungen auf zahlreichen zum Handelsrecht
gehörigen Einzelgebieten ununterbrochen vor sich, in allen Ländern: neue
Schiffahrtsgesetze, neue Börsenreglementierungen und neue Versicherungs-
rechtsnormen treten fast allerorten zutage; Scheckwesen, Warrantverkehr und
die ausgleichende Abrechnung der Banken finden in neuen Gesetzen Regelung,
die Zielpunkte sind überall — mehr oder weniger deutlich — dieselben, die unten
(S. 177—ı79) angedeuteten, namentlich wird die internationale Ausgleichung
— bewußt oder unbewußt — erstrebt und erreicht. Und so eifrig auch die
gesetzgebenden Faktoren staatlicherseits an der Erzeugung neuer Rechtsnormen
in diesem Sinne arbeiten mögen, so steht auch ein anderer Faktor der Rechts-
bildung nicht still, dieGewohnheit. Noch heutzutage entsteht neuesGewohnheits-
recht. Als ein Beispiel hiervon sei die Anerkennung des Wechselblanketts, insbe-
sondere das Blankoakzept in Deutschland erwähnt. Auch in der Rechtsbildung
bezüglich der Geschäfte des Buchhandels spielt die Gewohnheit eine bedeutende
Rolle noch heutzutage. Ausdrücklich ist in Handelssachen dem Handelsgewohn-
heitsrechte der Konsulargerichtsbezirke und der Kolonien vordringliche Geltung
zuerkannt.
II. Die Abgrenzung des Handels und der Handelsgerichtsbar-
keit. Soll das Handelsrecht einen besonderen Teil der menschlichen Verkehrs-
und Lebensverhältnisse —in Abweichung von den sonst für letztere maßgebenden
Normen des bürgerlichen Rechts — regeln, so muß jener Teil möglichst scharf
von den übrigen Privatrechtsverhältnissen abgegrenzt werden; das Anwendungs-
gebiet des Handelsrechts muß mit anderen Worten durch gut sichtbare Grenz-
zeichen abgemarkt werden. Solche Grenzzeichen waren leicht anzubringen,
solange der mittelalterliche Zunftzwang herrschte, denn damals war das Handels-
recht einfach das Zunftrecht der Kaufleute und galt für diejenigen, die die Gilde
der Kaufleute gewonnen hatten, sowohl in Rechtsgeschäften dieser untereinander
(jetzt: zweiseitige Handelsgeschäfte genannt), als auch dann, wenn ein Kaufmann
gerade in seiner Standeseigenschaft mit Dritten, auch Nichtkaufleuten, handelte,
der Kaufmann als solcher auftrat. Dieselben Grenzen hatte auch die Handels-
gerichtsbarkeit, wo solche bestand.
Anders ist die Sache geworden, seit der Zunftzwang gefallen. Nun gilt es
durch andere Grenzzeichen als durch das mechanische Mittel der Zunftmatrikel
festzustellen, wer und was unter dem Handelsrecht und, wo ein solches noch
vorhanden, unter dem Handelsgerichte steht.
Um diese Fragen zu beantworten, stellt die moderne Gesetzgebung ein
System von Anhaltspunkten als Regeln auf, die davon ausgehen, daß der ob-
jektive Begriff des Handels aufgestellt wird, — am besten durch Aufzählung
der einzelnen zum Handel im volkswirtschaftlichen Sinne gehörigen Geschäfte,
als: Spekulations-, Realisations-Anschaffung und -Veräußerung, Bankier-,
Transport-, Vermittelungs- und Vertretungsgeschäfte, Prämienassekuranz,