166 KARL GAREIS: Handels- und Wechselrecht.
als vierte Form mag noch die Kombination erwähnt werden, dieman Kommandit-
gesellschaft auf Aktien nennt. Bei weitem am wichtigsten für den Großhandel
ist hiervon wie erwähnt die Aktiengesellschaft. Die rechtliche Behandlung
dieser Gesellschaftsart ist in der neuesten Gesetzgebung Deutschlands, Englands
und Frankreichs ungefähr dieselbe; sie wird charakterisiert ‚als aus Mißtrauen
geboren, von Verdacht durchtränkt, gegen Mißbrauch gerichtet‘‘. In der Tat
sehen sich manche Vorschriften des neuesten Aktienrechts der genannten Kultur-
länder wie drakonische Gesetze an; als nämlich in den siebziger Jahren des
19. Jahrhunderts — aus wirtschaftlichen Ursachen — mittels der Aktiengesell-
schaften, mochten diese noch unter dem Grundsatz der speziellen Staats-
genehmigung oder dem sog. System der Normativbestimmungen zur Entstehung
gelangt sein, schwindelhafte Unternehmungen, namentlich Gründungen als
reine Agiotagegründungen (d. h. nur zum Zweck der börsenmäßigen Verwertung
der Aktien errichtete Assoziationen) und Übergründungen zutage kamen, so
befiel die Gesetzgebungen eine fast verzagende Ängstlichkeit, — fast verzagende,
ja fast verzweifelnde, denn es wurde ja damals auch erwogen, ob man nicht die
Aktiengesellschaft als reine Realassoziation überhaupt ganz verbieten und
unterdrücken solle und höchstens öffentlichen Korporationen noch das Recht
zugestehen dürfe, Aktien anzugeben. Nun, bis zu diesem Ende kam es nicht,
man ließ die Aktienvereine zwar leben, umgab sie aber mit einer so schweren
Rüstung, daß ihnen die Bewegung, ja selbst das Leben sehr erschwert ist. Das
ihnen gewidmete Sonderrecht, ‚„zugespitzt gegen Nachlässigkeit, Pflichtwidrig-
keit, Unehrlichkeit von Gründern, Vorstand und Aufsichtsrat‘‘, wie ein öster-
reichischer Minister sich ausdrückt, hat nach verbreiteter Ansicht aber doch
keinen ungünstigen Einfluß auf die Entwicklung der Gesellschaften gehabt:
es ist ein System der haftungsvollen Prüfung der Gründung und Geschäfts-
gebarung das System des neuesten Aktiengesellschaftsrechts, im Falle der Ein-
führung der Aktien an Börsen, die auch nur beschränkt und bedingt zugelassen
wird, sogar das völlige Prospektsystem. Genau so ist auch der Zweck der neuen
englischen Companies Act von 1907 kein anderer, als der ‚‚das Publikum vor
den Ränken und.Listen gewissenloser Gründer und vielleicht auch vor seiner
eigenen Sorglosigkeit zu schützen‘‘. Gewiß tut Vorsicht not, und der Gesetz-
geber hat vollauf recht, ja es ist seine Pflicht, diese anzuwenden in der mög-
lichsten Sicherung der Rechte und Gläubiger und der Mitglieder dieser Gesell-
schaft. Die Devise: „Schutz dem wirtschaftlich Schwachen‘, darf aber nicht
umschlagen in die Devise: „Schutz dem wirtschaftlich Dummen‘“, zumal wenn
der völlig Unerfahrene sich in Spekulationen und Unternehmungen gewagter
Art ohne Not und aus reiner eigener Gewinnsucht einläßt. Niemals wird der
Gesetzgeber mehr erreichen können, als daß er aufmerksam macht und eine
Reihe von persönlich für ihre Erklärungen Haftenden hinter die Realhaftung
der Gesellschaft stellt, — das ‚Trau schau wem‘ kann er keinem ersparen. Das
gilt für das Aktienrecht wie für das Börsenrecht gleich sehr.
2. Für Zwecke, die eine größere Beweglichkeit der Verwaltung erheischen
als sie den Aktiengesellschaften gegeben ist, wird der neugeschaffene Typus