‘ INTERNATIONALES PRIVATRECHT.
VON
LUDWIG VON BaR.
Begrift des Einleitung. Wenn zwischen den Angehörigen verschiedener Staaten
internationalen . 0. . .
Privatrechts. (Rechtsgemeinschaften) ein irgendwie geordneter Verkehr, selbst nur ein Aus-
tausch von Gütern stattfinden soll, so ist erforderlich, daß in gewissem Um-
fange wenigstens Rechte der einzelnen Personen, die unter der Rechtsordnung
des einen Staates erworben sind, auch von der Rechtsordnung des anderen
Staates anerkannt werden. Die Rechtsordnung des einen Staates erstreckt also
ihre Wirksamkeit in das Gebiet des anderen Staates hinein. Enthalten dann
die Rechtsordnungen der in Betracht kommenden Staaten von einander ab-
weichende Bestimmungen über den Erwerb von Rechten, so muß die eine Rechts-
ordnung statt ihrer eigenen Bestimmungen die in der anderen geltenden Be-
stimmungen für jenen Erwerb als maßgebend anerkennen; es ist z.B. klar,
daß, wenn im Staate A Eigentum an einer Sache nur durch körperliche Über-
gabe erworben werden kann, im Staate B dagegen ein formloser Vertrag zu
diesem Erwerbe genügt, und wenn dann der Angehörige X des Staates B mit
dem daselbst erworbenen Eigentum sich in den Staat A begibt, man ihm nicht
deshalb das Eigentum absprechen kann, weil er dasselbe ohne körperliche Über-
gabe seitens des früheren Eigentümers erworben hat. Je ausgedehnter und
intensiver der internationale Verkehr sich gestaltet, je öfter es vorkommt, daß
Angehörige eines Staates in dem Gebiete eines anderen Staates längere Zeit
verweilen, umso mehr wird es unumgängliches Erfordernis, auswärtige Gesetze
in gewissem Umfange anzuwenden oder doch die Anwendung der Gesetze der
einzelnen Staaten zu modifizieren, wenn Angehörige eines anderen Staates bei
einem Rechtsverhältnisse beteiligt sind.
Das sog. Internationale Privatrecht stellt nun die Normen fest, nach denen
im Gebiete oder genauer ausgedrückt vor den Gerichten eines Staates die in
einem anderen Staate geltenden Gesetze zur Anwendung zu gelangen haben,
eine Feststellung, die um so mehr von Wichtigkeit ist, je mehr der internationale
Verkehr wächst.
Früher bezeichnete man die Lehre von diesen Normen als die Lehre von
der Kollision der Gesetze, weil auf den ersten Anblick ein Widerstreit der von-
einander abweichenden Bestimmungen der in Betracht kommenden Gesetz-
gebungen vorzuliegen scheint. Jene Bezeichnung, die hin und wieder in der