fullscreen: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Dritter Band. (3)

Zivilprozeß- und Konkursrecht. 279 
kammer gebracht ist; außerdem kann die Kammer für Handelssachen von sich aus eine Sache 
an die Zivilkammer verweisen, nicht aber umgekehrt (§ 103 f. G.). 
Die höheren Instanzgerichte sind sämtlich Kollegialgerichte mit Senaten als Abteilungen, 
wovon die Oberlandesgerichte als fungierende Gerichte mit fünf Richtern und das Reichsgericht 
als fungierendes Gericht mit sieben Richtern entscheidet 1. 
Möglich ist es, daß das fungierende Gericht ausnahmsweise aus sämtlichen Mitgliederm 
aller oder einzelner Abteilungen der Gerichtsbehörde besteht. Dies trifft zu, wenn die „ver- 
einigten Zivilsenate“ oder das „Plenum“" des Reichsgerichts entscheidet, was in dem Falle statt- 
findet, wenn ein Zivilsenat vom anderen, oder (das Plenum) wenn ein Zivilsenat von einem 
Strafsenat in der Entscheidung abweichen will. Das fungierende Gericht wird hier dadurch 
gebildet, daß sämtliche Mitglieder der Zivilsenate oder des ganzen Reichsgerichts oder mindestens 
so viele tätig sind, daß die anwesenden Personen zwei Drittel dieser Mitglieder ausmachen 
(5 137f. GVG.). So auch bei dem Obersten Landesgericht in Bayern, 8 10 E.G. zur G. V.G. 
Einzelrichter sind die Amtsrichter. Auch hier ist zu unterscheiden zwischen Amtsgericht 
und dem einzelnen Amtsrichter als fungierendem Richter; und auch hier sollen nach dem Geiste 
des Gesetzes die Streitsachen nach einer bestimmten Ordnung verteilt werden, wofür aber die 
Landesgesetze Bestimmung geben :2. Ubrigens haben die Amtsrichter noch ganz andere Tätig- 
keiten, insbesondere Tätigkeiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit; aber auch hier ist die Abteilung 
nur ein Analogon der Kammerabteilungen: es ist nicht so, als ob im Amtsgericht mehrere Be- 
hörden vereinigt wären 2. Der Amtsrichter entscheidet in den bürgerlichen Sachen allein, er 
kann auch keinen Schöffen zuziehen; der Amtsrichter als Amtsrichter ist fungierender Richter. 
In einer Gemeinde sollte nur ein Landgericht und nur ein Amtsgericht sein, denn das 
Reichsrecht kennt Zuständigkeit nach Gemeinden, nicht nach Gemeindeabteilungen. Doch 
hat sich darüber ein ständiges Gewohnheitsrecht hinweggesetzt. Wenn daher, wie in der Ge- 
meinde Berlin, mehrere solcher Gerichte bestehen, so tritt an Stelle der Gemeinde der 
Gerichtssprengel, vgl. Preuß. Gesetz v. 10. April 1892; wie dies jetzt in ähnlicher Weise die 
ungarische ZPO. § 48 bestimmt. 
Im Gegensatz zu dem Amtzgericht entscheiden von den Sondergerichten die Gewerbe- 
gerichte und Kaufmannsgerichte wieder als Mehrheitsgerichte, und zwar ein Vorsitzender mit 
Laienbeisitzern, welche teils den Arbeitgebern, teils den Arbeitnehmern entnommen sein müssen 
(5 24 GG ., I# 9 und 12 KG.). 
Für den Richter ist die Richtertätigkeit Recht und Pflicht. Ausnahmsweise kann ein Richter 
berechtigt und verpflichtet sein, die Richtertätigkeit zu verweigern. 
Verpflichtet hierzu ist er, wenn er „ausgeschlossen“ ist, d. h. wenn eine Unverträglichkeit 
zwischen seiner Person und der bestimmten Rechtssache vorliegt, insbesondere wenn er selbst 
Partei ist oder in einer dem Richteramt widerstrebenden Tätigkeit (z. B. als Vertreter einer 
Partei oder als Zeuge) in der Sache gewirkt hat. 
Anders geartet sind die Fälle der Befangenheit, wenn Beweggründe vorliegen, die trübend 
einwirken können oder auch nur nach außenhin den Schein verbreiten, als ob solches der Fall 
wäre, z. B. Freundschaft, Feindschaft. Hier kann der Richter sich selbst ablehnen; er kann auch 
von der einen oder anderen Partei abgelehnt werden und muß, wenn die Ablehnung als be- 
gründet erkannt wird, sich der Richtertätigkeit enthalten (§§# 41 ff. Z PO.). 
6. Gerichtsstandsordnung. 
§22. Wenn der Staat mehrere gleichartige Gerichte aufstellt, so kann er eine Ordnung in 
der Art schaffen, daß für die eine Sache das eine, für die andere das andere Gericht tätig sein 
soll. Möglich ist allerdings auch das entgegengesetzte System, daß, wer die Gerichte anruft, 
1 Diese Besetzung mit 5 und 7 Richtern ist ein unglaublicher Luxus; mehr als 3 Richter sollte 
kein Gerichtssenat haben. 
* Vgl. z. B. Preuß. Ausführungsgeset zum G. 5 2 
* Wie z. B. bei dem Patentamt der Fall ist, das eine ##nt, mit mehreren Behörden bildet, 
Handb. des Patentrechts S. 677 f. Daraus geht hervor: was bei einer Abteilung des Amtsgerichts 
gerichtskundig ist, ist beim ganzen Amtsgericht gerichtskundig; eine Beschwerde der einen Abteilung
	        
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