Full text: Die Kultur der Gegenwart. Band 2.8. Systematische Rechtswissenschaft. (8)

II. System des internationalen Privatrechts. 189 
Angehörige. Staaten des englisch-nordamerikanischen Rechts werden ver- 
mutlich in absehbarer Zeit höchstens dem auf einige nicht gerade schwierige 
Fragen sich erstreckenden zivilprozessualen Abkommen beitreten, wie denn 
auch außereuropäische Staaten unter den Vertragsstaaten sich nicht befinden 
(zu den Vertragsstaaten gehören z. B. das Deutsche Reich, Belgien, Frank- 
reich, Italien, die Niederlande, Schweden, die Schweiz). Auch einzelne Ab- 
weichungen von den vertragsmäßigen Grundsätzen sind den Vertragsstaaten 
mehrfach gestattet, und die Auslegung mancher Bestimmungen dieser Ab- 
kommen wie ihre Anwendung im Bereiche der Gesetzgebungen von Vertrags- 
staaten ist nicht immer leicht festzustellen. 
‚Die Beziehungen eines Rechtsverhältnisses zu dem Rechte (den Gesetzen) 
eines bestimmten Territoriums können sich ergeben I. aus der dauernden Zu- 
gehörigkeit einer Person zu diesem Territorium, 2. aus dem zeitigen (vorüber- 
gehenden) Aufenthalte einer Person, 3. aus dem Orte, an dem eine Sache sich 
befindet. Die Zugehörigkeit einer Sache zu dem Vermögen einer Person und 
der Ort, wo eine Handlung vorgenommen wird, werden zwar auch als solche 
„Anknüpfungsmomente‘ für das internationale Privatrecht angeführt und be- 
nutzt; indesreduziert sich die Frage, wo eine Handlung vorgenommen wird, auf die 
Frage, wo eine oder eine Mehrzahl von Personen zu einem bestimmten Zeit- 
punkte sich befand, und die Zugehörigkeit einer Sache zu dem Vermögen einer 
Person selbst ist abhängig von einer in das internationale Privatrecht fallenden 
Rechtsfrage, kann also nicht als „Anknüpfungsmoment‘‘ oder Voraussetzung 
des internationalen Privatrechts gelten. Freilich ist auch die dauernde Zu- 
gehörigkeit einer Person zu einem Staate (einem Territorium) kein reines Fak- 
tum. Aber diese Zugehörigkeit, mag man nun den Wohnsitz oder die Staats- 
angehörigkeit als maßgebend ansehen, ist unentbehrliche Voraussetzung des 
internationalen Privatrechts, und der Wohnsitz ist, wenn auch in mehreren 
Beziehungen durch Rechtsnormen bestimmt, die in den einzelnen Gesetz- 
gebungen differieren, doch im wesentlichen ein tatsächliches Verhältnis, so 
daß der Regel nach davon ausgegangen werden kann, daß die verschiedenen 
Gesetzgebungen den Wohnsitz ein und derselben Person nicht verschieden 
bestimmen. Die Staatsangehörigkeit kann deshalb als Voraussetzung des inter- 
nationalen Privatrechts gelten, weil sie ihre Basis nicht im internationalen 
Privatrechte, vielmehr im Völkerrechte und bzw. im Staatsrechte hat. 
Während der Wohnsitz regelmäßig von dem freien Willen der volljährigen 
Person abhängt, wird die Staatsangehörigkeit einerseits durch Abstam- 
mung (jure sanguinis) — in einigen Staaten, namentlich in England und den 
Vereinigten Staaten von Nordamerika, auch durch Geburt innerhalb des Staats- 
gebiets (jure soli) —, anderseits durch besondere Aufnahme seitens der Staats- 
gewalt (Naturalisation) bedingt, oder es hängt doch der Übertritt in einen 
neuen Staatsverband nicht lediglich von dem Willensentschluß des Individuums 
ab. Wohnsitz und Staatsangehörigkeit der Person gehören also oft verschiede- 
nen Gesetzgebungsgebieten an. Für die internationale Behandlung der Per- 
sonen ist es daher von einschneidender Bedeutung, ob man als wesentlich 
Voraussetzungen 
(Anknüpfungs- 
momente) für die 
einzelnen 
Normen des 
internationalen 
Privatrechts: 
Aufenthaltsort 
von Personen 
und Sachen, 
Wohnsitz und 
Staatsangehörig- 
keit.
	        
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