Zuständigkeit.
Gerichtsstände.
206 LOTHAR VON SEUFFERT: Zivilprozeßrecht.
gericht aus sieben Richtern. Die Kammern für Handelssachen sind mit einem
rechtsgelehrten Richter und zwei Laienrichtern besetzt; die anderen ordent-
lichen Gerichte mit rechtsgelehrten Richtern, die die Befähigung zum Richter-
amt durch Erfüllung gewisser Vorbedingungen erlangt haben. Die Gewerbe»
gerichte und die Kaufmannsgerichte entscheiden regelmäßig in der Besetzung
von fünf Mitgliedern. Der Vorsitzende des Gewerbegerichts kann, der des Kauf-
mannsgerichts soll ein zum Richteramte bei den ordentlichen Gerichten Be-
fähigter sein; die Beisitzer sind Laienrichter, und zwar bei den Gewerbe-
gerichten Arbeitgeber und Arbeiter, bei den Kaufmannsgerichten Kaufleute
und Handlungsgehilfen je zu gleichen Teilen.
Hilfsbeamte der Gerichte sind die Gerichtsschreiber, die Gerichtsvollzieher
und der Staatsanwalt. Die dem französischen Gesetze nachgebildeten Ge-
richtsvollzieher haben die Zustellungen und gewisse Vollstreckungshandlungen
zu besorgen. Der Staatsanwalt wird zum Eheprozesse, zum Kindschaftsprozeß
und Entmündigungsverfahren herangezogen.
Welches Gericht im einzelnen Falle zur Gewährung des Rechtsschutzes
berufen ist, wird durch die Vorschriften über die Zuständigkeit bestimmt.
Man unterscheidet Vorschriften über die sachliche und solche über die örtliche
Zuständigkeit oder den Gerichtsstand. Aus den Vorschriften über die sachliche
Zuständigkeit ist zu entnehmen, welche Art von Gerichten (Amtsgericht, Land-
gericht, Oberlandesgericht usw.) zur Rechtsprechung für gewisse Prozesse oder
Prozeßabschnitte berufen ist; aus den Vorschriften über den Gerichtsstand,
welches von mehreren Gerichten der gleichen Art im einzelnen Falle anzugehen
ist. Die sachliche Zuständigkeit der ersten Instanz ist zwischen den Amts-
gerichten und den Landgerichten geteilt. Die Zuständigkeit in zweiter Instanz
kommt den Landgerichten und den Oberlandesgerichten zu, je nachdem erste In-
stanz ein Amts- oder ein Landgericht war. Zuständig in dritter Instanz sind die
Oberlandesgerichte und das Reichsgericht. Der allgemeine Gerichtsstand bemißt
sich nach dem Wohnsitze des Beklagten und , wenn dieser wohnsitzlos ist, nach
seinem Aufenthalt, eventuell nach seinem letzten Wohnsitz im Deutschen Reiche.
Außer dem allgemeinen Gerichtsstande gibt es für Ansprüche gewisser Art be-
sondere Gerichtsstände, die entweder mit dem allgemeinen Gerichtsstande
konkurrieren oder diesen ausschließen. Besondere Gerichtsstände sind z.B.
der Gerichtsstand des dauernden Aufenthalts für vermögensrechtliche An-
sprüche, der Gerichtsstand des Vermögens für vermögensrechtliche Klagen gegen
Personen, die im Inlande keinen Wohnsitz haben, der ausschließliche Gerichtsstand
der belegenen Sache für Prozesse über Rechte und Besitz an Grundstücken, der
Gerichtsstand der Erbschaft für Prozesse über Erbrecht, Vermächtnisse und
Nachlaßverbindlichkeiten, der Gerichtsstand des Erfüllungsorts für Vertrags-
klagen usw. Unter mehreren zuständigen Gerichten hat der Kläger die Wahl.
Die Vorschriften über die Zuständigkeit der ersten Instanz können durch Verein-
barung umgangen werden, soweit nicht eine ausschließliche Zuständigkeit an-
geordnet ist. Der Vereinbarung steht die Einlassung des Beklagten auf die
bei einem unzuständigen Gericht erhobene Klage gleich.