System des Zivilprozeßrechts. II. Die Parteien. 207
II. Die Parteien. Partei ist derjenige, welcher den Rechtsschutz ver-
langt, und derjenige, gegen welchen der Rechtsschutz verlangt wird. Das Rechts-
schutzbegehren kann von mehreren Personen oder gegen mehrere Personen er-
hoben werden, wenn unter den Mehreren eine Rechtsgemeinschaft besteht oder
ihre Berechtigung oder Verpflichtung aus demselben Grunde herrührt. Die
mehreren auf einer Parteiseite stehenden Personen heißt man Streitgenossen.
Partei kann sein, wer rechtsfähig ist, also auch die juristischen Personen
und die sonstigen Personenverbände, denen die Rechtsfähigkeit zukommt. Ein
nicht rechtsfähiger Verein kann nicht den Rechtsschutz verlangen, aber gegen
einen solchen Verein kann der Rechtsschutz wohl begehrt werden. Zur Unter-
stützung einer Partei kann ein Dritter als Nebenintervenient dem Prozesse
beitreten, wenn er an dem Siege einer Partei ein rechtliches Interesse hat.
Eine Partei kann den Dritten durch Streitverkündung zur Nebenintervention
auffordern.
Von der Parteifähigkeit zu unterscheiden ist die Prozeßfähigkeit. Sie
besteht in der Fähigkeit, prozessualische Handlungen selbst oder durch einen
Bevollmächtigten vorzunehmen und entgegenzunehmen. Die Prozeßfähigkeit
kommt regelmäßig nur denjenigen Personen zu, welche auch auf dem Gebiete
des materiellen Rechtes vollkommen geschäftsfähig sind; sie fehlt denjenigen,
welche geschäftsunfähig oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkt sind, also
den Minderjährigen, den Entmündigten, den unter vorläufige Vormundschaft
gestellten, sowie den geistig gestörten Personen, wenn die Geistesstörung nicht
bloß vorübergehend ist. Ausnahmsweise sind Personen, die in der Geschäfts-
fähigkeit beschränkt sind, gleichwohl prozeßfähig, nämlich in Ehesachen und
in Kindschaftsprozessen. Für die prozeßunfähige Partei hat ihr gesetzlicher Ver-
treter (der Inhaber der elterlichen Gewalt, der Vormund oder Pfleger) die Prozeß-
handlungen vorzunehmen. Prozeßfähig sind auch die juristischen Personen;
sie können Prozeßhandlungen durch die zu ihrer Vertretung berufenen Organe
vornehmen.
Die prozeßfähige Partei und der gesetzliche Vertreter einer prozeßunfähigen
Partei kann sich durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen; die Handlungen
des Bevollmächtigten gelten als Handlungen der Partei oder des gesetzlichen
Vertreters. Bevollmächtigter kann nur sein, wer selbst prozeßfähig ist. Weil
eine sachgemäße, den Interessen der Parteien Rechnung tragende Prozeß-
führung nur von Rechtskundigen zu erwarten ist, haben nach dem Vorbilde
des französischen Gesetzes zahlreiche neuere Gesetzgebungen, so auch die
deutsche Zivilprogeßordnung, für das Verfahren vor den Kollegialgerichten
den Anwaltszwang eingeführt, d.i. die Notwendigkeit, sich durch einen bei
dem Prozeßgerichte zugelassenen Anwalt in der Prozeßführung vertreten zu
lassen (Anwaltsprozeß). Nur für einzelne Akte, nämlich für das Verfahren vor
einem beauftragten oder ersuchten Richter, sowie für Handlungen, die vor dem
Gerichtsschreiber vorgenommen werden können, besteht auch innerhalb des
Anwaltsprozesses kein Anwaltszwang. Um einer unvermögenden Partei, der
das Armenrecht bewilligt wird, die Prozeßführung nicht zu verschränken, muß
Parteifähigkeit.
Prozeßfähigkeit.
Prozeßbevoll-
mächtigte.
Anwaltszwang.