Full text: Die Kultur der Gegenwart. Band 2.8. Systematische Rechtswissenschaft. (8)

208 LOTHAR voN SEUFFERT: Zivilprozeßrecht. 
ihr im Anwaltsprozeß ein Anwalt zu vorläufig unentgeltlicher Wahrung ihrer 
Rechte beigeordnet werden; im Parteiprozeß kann ihr ein Anwalt beigeordnet 
werden. Soweit eine Vertretung durch Anwälte nicht geboten ist (Parteiprozeß), 
kann jede Partei in der mündlichen Verhandlung einen Beistand zuziehen. 
FE III. Die Verhandlungsmaxime. Der Art der Rechte, über deren 
und Schutz im Zivilprozesse zu verhandeln und zu entscheiden ist, entspricht der 
Offizialmaxime. Grundsatz, daß das Gericht nur auf Ansuchen einer Partei in Tätigkeit tritt 
und daß auch die Beschaffung der Urteilsunterlagen durch Anträge, Angabe 
der sie begründenden Rechtsverhältnisse und Tatsachen sowie die Bezeichnung 
der dafür vorhandenen Beweismittel den Parteien überlassen wird. Im Gegensatz 
zur Verhandlungsmaxime steht das im Strafprozesse geltende Inquisitions- 
prinzip oder die Offizialmaxime, wonach das Gericht von Amts wegen die Urteils- 
unterlagen und die Beweise zu beschaffen hat. Für den Zivilprozeß ist ein 
inquisitorisches Verfahren nicht passend. Einmal deswegen, weil die Rechte, 
über die im Zivilprozesse zu verhandeln ist, zum weitaus größten Teile solche 
sind, über die die Parteien frei verfügen können; sodann deswegen, weil die 
Offizialtätigkeit des Gerichts zu einer unzweckmäßigen Bevormundung der 
Parteien führen würde; endlich deswegen, weil das Interesse an einem ihr 
günstigen Ausgange des Prozesses einen genügenden Antrieb dafür bildet, daß 
jede Partei dem Gerichte alles unterbreiten wird, was zu ihren Gunsten spricht, 
und daß sie auch bestrebt sein wird, ihre beweisbedürftigen Behauptungen durch 
Angabe der Beweismittel zu erhärten. Der unter der Herrschaft der Ver- 
handlungsmaxime stehende Prozeß gestaltet sich zu einem Kampfe der Parteien 
um das Recht, in dem jede Partei ihre Angriffs- und Verteidigungsmittel vor- 
zubringen hat. Daher muß jeder Partei Gelegenheit gegeben werden, ihre An- 
griffs- und Verteidigungsmittel vor dem Gerichte geltend zu machen (Gebot 
des wechselseitigen Gehörs). 
Konsequenzen Des weiteren tritt die Verhandlungsmaxime in folgenden Regeln zutage: 
Verhandlungs- Der Rechtsschutz wird nur auf Verlangen der Partei gewährt. Wo kein 
maxine Kläger ist, da ist kein Richter. Das gilt sowohl für das Erkenntnis-, wie für das 
Vollstreckungsverfahren. Nimmt der Kläger die Klage zurück, so wird kein 
Urteil über das behauptete Recht gefällt. Die Anträge der Parteien sind für 
den Inhalt und den Umfang des Urteils maßgebend. Das Gericht darf dem 
Kläger nichts zuerkennen, was dieser nicht verlangt hat. Wird ein Urteil durch 
Rechtsmittel angefochten, so beschränkt sich die Kognition des Rechtsmittel- 
gerichts auf die Parteianträge; das Gericht darf das Urteil nur insoweit aufheben 
oder abändern, als dies von einer Partei beantragt ist. Die von den Parteien 
vorgebrachten Angrifis- und Verteidigungsmittel bilden die ausschließliche 
Unterlage der gerichtlichen Entscheidung. Das Gericht darf keine Tatsachen 
berücksichtigen, die von den Parteien nicht vorgebracht sind. Das Gericht darf 
nur Beweis erheben über Tatsachen, die von dem Gegner bestritten sind. Es 
darf nur solche Beweise aufnehmen, die von den Parteien bezeichnet sind. 
Eine Ausnahme gilt in Ansehung des Beweises durch Augenschein und durch
	        
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