System des Zivilprozeßrechts. VI. Der Beweis. 213
wird, die Vertretung der Partei fortzuführen. War von der verstorbenen oder
prozeßunfähig gewordenen Partei oder von dem früheren gesetzlichen Vertreter
ein Prozeßbevollmächtigter bestellt, so tritt keine Unterbrechung ein, aber das
Gericht muß auf Antrag die Aussetzung des Verfahrens beschließen. Unter-
brechung und Aussetzung dauern bis zur Aufnahme des Verfahrens durch die
Partei. Die Aufnahme gestaltet sich verschieden je nach dem Anlasse der Unter-
brechung oder Aussetzung. Bis zur Beendigung der Unterbrechung oder Aus-
setzung können keine Prozeßhandlungen vorgenommen werden. Daher wird
der Lauf der zur Vornahme solcher Handlungen bestimmten Fristen unter-
brochen. Ein Stillstand des Verfahrens kann auch durch Vereinbarung der
Parteien sowie dadurch herbeigeführt werden, daß beide Parteien in einem
Verhandlungstermine nicht erscheinen.
VI. Der Beweis. Beweisen heißt Gründe für oder gegen die Richtigkeit Bewesführung
einer Tatsachenbehauptung herbeischaffen. Die darauf abzielende Tätigkeit ,, a ahıe
einer Partei heißt Beweisführung, die des Gerichts Beweisaufnahme oder Beweis-
erhebung. Es entspricht der Verhandlungsmaxime (s. 0. S. 208), daß die von einer
Partei dem Gerichte vorgetragenen Tatsachenbehauptungen erst dadurch beweis-
bedürftig werden, daß der Gegner sie bestreitet. Nur soweit die Verhandlungs-
maxime durchbrochen ist, insbesondere im Eheprozeß, im Kindschaftsprozeß
und im Entmündigungsverfahren, bedürfen auch unbestrittene Tatsachen des
Beweises. Jede Partei kann bis zum Schlusse der mündlichen Verhandlung,
auf welche das Urteil ergeht, und auch noch in der Berufungsinstanz die von
dem Gegner aufgestellten Tatsachenbehauptungen durch Bestreiten beweis-
bedürftig machen. Hat jedoch eine Partei vom Gegner aufgestellte Behaup-
tungen nicht bloß nicht bestritten, sondern durch positive, vor Gericht abge-
gebene Erklärung als richtig anerkannt (gerichtliches Geständnis), so kann sie
das Geständnis nur widerrufen, wenn sie beweist, daß es der Wahrheit nicht
entspricht und durch einen Irrtum veranlaßt war.
Trotz der Bestreitung bedarf eine Tatsachenbehauptung nicht des Be- Notarietät.
weises, wenn die Tatsache bei dem Gericht offenkundig (notorisch) ist. Bei dem
Gericht offenkundig ist eine Tatsache, von der die beteiligten Richter selbst
Kenntnis haben, falls diese Kenntnis nicht auf privatem Wissen, sondern auf
amtlichen Mitteilungen oder Wahrnehmungen oder darauf beruht, daß die Tat-
sache in weiteren Kreisen allgemein als bekannt gilt.
Gehen die Angaben der Parteien über die für die Entscheidung erheblichen Beweislast.
Tatsachen auseinander und tritt daher das Bedürfnis der Beweisführung ein,
so entsteht die Frage, welche der Parteien die Beweislast trifft. Von dieser Frage
hängt der Ausgang des Prozesses ab, wenn wegen Mangels von Beweis nicht
festgestellt werden kann, welche von den divergierenden Darstellungen der
Parteien die richtige ist; denn die Entscheidung muß zu Ungunsten der Partei er-
gehen, welche für ihre Darstellung den Beweis zu führen gehabt hätte, aber nicht
geführt hat. Es ist davon auszugehen, daß zunächst der Kläger als diejenige
Partei, welche für ein ihr zustehendes Recht den Rechtsschutz begehrt, die