System des Zivilprozeßrechts. VI. Der Beweis. 217
lichen Anordnung, die Urkunde vorzulegen, nicht nach, so können die Behaup-
tungen des Beweisführers über Form und Inhalt der Urkunde als richtig ange-
nommen werden.
Parteieid ist der Schwur, mit welchem eine Partei die Wahrheit ihrer
Behauptung oder die Unwahrheit einer vom Gegner aufgestellten Behauptung
bekräftigt. Der Parteieid war das wichtigste Beweismittel des altgermanischen
Prozesses. Die Partei hatte damals nicht bloß über Tatsachen, sondern über
Recht oder Unrecht, Schuld oder Nichtschuld zu schwören. Zumeist mußte der
Schwörende Eideshelfer haben, die ihren Glauben an die Wahrhaftigkeit der
Partei beschwören. Unter dem Einflusse des römisch-kanonischen Rechtes
wurde der Parteieid auf Tatsachenbehauptungen beschränkt. Die Eideshilfe
fiel weg. Die Partei, welche eine Tatsache zu beweisen hat, konnte nach dem
früheren gemeinen Prozeßrecht über alle Tatsachen dem Gegner den Eid
zuschieben, d.h. verlangen, daß der Gegner die Richtigkeit der Bestreitung
durch Eid bekräftige. In der Eideszuschiebung liegt auch die Erklärung, daß
der Beweisführer die Entscheidung des Prozesses auf die Eidesleistung abstelle.
Der Gegner konnte dem Beweisführer den Eid zurückschieben, d. h. verlangen,
daß dieser die Richtigkeit seiner Behauptung beschwöre, womit die Entschei-
dung auf den Eid des Beweisführers abgestellt wird. Den auf Grund einer Zu-
oder Zurückschiebung auferlegten Eid heißt man den Schiedseid. Außerdem gab
es noch einen aus Initiative des Gerichts auferlegten Eid (richterlichen Eid).
War durch andere Beweisführung einiger, aber kein voller Beweis geliefert, so
konnte das Gericht zur Ergänzung des unvollständigen Beweises dem Beweis-
führer den Erfüllungseid oder zur Beseitigung des unvollständigen Beweises
dem Gegner den Reinigungseid auflegen. Die deutsche Prozeßordnung hat
sowohl den Schiedseid wie den richterlichen Eid beibehalten. Den Schiedseid
hat sie auf Tatsachen beschränkt, die in Handlungen der Partei, ihrer Rechts-
vorgänger oder Vertreter bestehen, oder Gegenstand der Wahrnehmung dieser
Personen gewesen sein müssen; im übrigen wurden die Regeln des früheren
Rechtes, insbesondere auch die Eideszurückschiebung, beibehalten. Den richter-
lichen Eid hat die deutsche Prozeßordnung zugelassen, wenn das Ergebnis der
Verhandlungen nicht ausreicht, um die volle Überzeugung des Gerichts von der
Wahrheit oder Unwahrheit einer Tatsache zu begründen; das Gericht hat freies
Ermessen, welcher der Parteien es den richterlichen Eid auferlegen will. Der
Schiedseid ist im Verhältnisse zu anderen Beweismitteln subsidiär; er kommt
erst an die Reihe, wenn die anderen Beweismittel erschöpft sind. Ein richter-
licher Eid kann auch ohne Erschöpfung der anderen Beweismittel auferlegt
werden. Im Eheprozeß ist der Schiedseid beschränkt auf Tatsachen, die dem
Parteieid.
Bestand der Ehe günstig sind. Im Ehenichtigkeitsprozeß ist er ganz ausge-
schlossen. Ebenso im Kindschaftsprozeß und im Entmündigungsprozesse. Der
Parteieid ist regelmäßig durch ein Urteil aufzulegen; darin ist der Schwur-
pflichtige und das Schwurthema zu bezeichnen sowie festzustellen, welche Ent-
scheidung für den Fall der Leistung oder der Nichtleistung des Eides in Aussicht
genommen wird (bedingtes Endurteil). Weil dieses Urteil die Grundlage der