A. Das Strafrecht. II. Der Aufbau des geltenden Rechtes, 247
ohne weiteres gegeben. Die schlimmste Folge der Dreiteilung aber besteht darin,
daß durch sie jeder Unterschied zwischen den leichteren Fällen des kriminellen
Unrechts und dem polizeilichen Delikt völlig verwischt wird. Auf die Ent-
wendung von Nahrungs- und Genußmitteln findet dasselbe Strafsystem An-
wendung wie auf die Nichtbefolgung der geringfügigsten lokalpolizeilichen
Vorschrift: die Geldstrafe wird in dem einen wie dem andern Fall, wenn sie
uneinbringlich ist, in Haftstrafe umgewandelt. Und auch das Strafverfahren
kennt keinen Unterschied zwischen Polizeiübertretung und strafbarem Eingriff
in fremde Rechte. Daß mit dieser Gleichwertung von innerlich durchaus ver-
schiedenen Handlungen das Rechtsbewußtsein des Volkes in gefährlichster Weise
erschüttert werden muß, wird heute von allen Seiten zugegeben.
c) Ein wissenschaftliches System der strafbaren Handlungen muß sich
aufbauen auf der Unterscheidung der Rechtsgüter (s. oben S. 245), die durch die
strafbare Handlung verletzt oder gefährdet werden. Das System eines Straf-
gesetzbuches wird den Erwägungen praktischer Zweckmäßigkeit Rechnung
tragen dürfen und müssen. Es empfiehlt, sich, an dieser Stelle der Legalordnung
zu folgen, schon aus dem Grunde, weil nur so der Bestand der im Strafgesetz-
buch vereinigten Tatbestände von den im Lauf der Jahrzehnte hinzugekommenen
Strafdrohungen der Sondergesetzgebung sich deutlich abhebt.
Der besondere Teil des Reichsstrafgesetzbuches zerfällt in 29 Abschnitte.
Von diesen kann der letzte, der im Anschluß an das Preußische Strafgesetzbuch
von 1851 gewisse Übertretungen ohne jeden inneren Grund zu reichsrechtlich
bedrohten Handlungen stempelt, beiseite gelassen werden. Die übrigen 28 Ab-
schnitte können, im Anschluß an die Gepflogenheiten der Reichskriminal-
statistik, in vier Hauptmassen zerlegt werden.
Die erste Gruppe umfaßt die Delikte ‚gegen Staat, Religion und öffent-
liche Ordnung‘ (Abschnitt ı bis II). An der Spitze stehen Hochverrat und
Landesverrat. Es folgen die Majestätsbeleidigung (wörtliche oder tätliche Be-
leidigung des Kaisers, des Landesherrn, des Regenten oder eines Mitgliedes des
landesherrlichen Hauses), deren Strafbarkeit durch Gesetz vom 17. Februar 1908
wesentlich gemildert worden ist, die Delikte gegen befreundete Staaten, die
Verletzung der staatsbürgerlichen Rechte, der Widerstand gegen die Staats-
gewalt und die Befreiung von Gefangenen. In einem weiteren umfassenden
Abschnitt, dessen Überschrift ‚Delikte gegen die öffentliche Ordnung‘‘ den
Inhalt nur sehr ungenau bezeichnet, finden wir den Haus- und den Landfriedens-
bruch, die Störungen des öffentlichen Friedens, Anmaßung und Mißachtung der
Amtsgewalt, die Verletzung der Wehrpflicht u.a. Daran schließen sich die
Münzdelikte, der Meineid und verwandte Delikte und die falsche Anschuldigung;
Gotteslästerung, Beleidigung der kirchlichen Korporationen, Störung des
Gottesdienstes, Beeinträchtigung der Kultusfreiheit, Störung des Gräber-
friedens sind im elften und letzten Abschnitt unter Strafe gestellt.
Die zweite Gruppe (Abschnitt 12 bis 18) enthält die Delikte „gegen die
Person‘. Hierher gehören zunächst die Veränderung und Unterdrückung des
Personenstandes, sowie der Ehebetrug. Dann folgen die vielgestaltigen Sittlich-
Das System der
strafbaren
Handlungen im
Bürgerlichen
Strafgesstzbuch.