A. Das Strafrecht. II. Der Aufbau des geltenden Rechts, 25I
in erster Instanz, der Konsulargerichte und der Gerichte in den Schutzgebieten)
vorbehalten bleibt Die ‚tätige Reue‘' ist zwar bei dem Versuch allgemein als
Strafaufhebungsgrund zugelassen (s. oben S. 244/5); dem vollendeten Delikt
gegenüber hat sie diese Wirkung nur ausnahmsweise, so als Widerruf der fahr-
lässig falschen Aussage, als Abstehen von dem vereinbarten Zweikampf, als
Löschen des Brandes, so lange noch kein weiterer Schaden entstanden ist. Ein-
gehender regelt das Strafgesetzbuch die Verjährung. Es kennt sie in zweifacher
Gestalt: als Verfolgungsverjährung, so lange ein rechtskräftiges Urteil noch
nicht ergangen ist, und als Vollstreckungsverjährung gegenüber dem rechts-
kräftig erkannten, aber noch nicht vollstreckten Urteil. Die Dauer der Ver-
jährungsfrist ist je nach der Höhe der im Gesetz angedrohten oder der im
Urteil ausgesprochenen Strafe abgestuft. Der Lauf der Frist wird durch Ver-
folgungshandlungen unterbrochen; nach der Unterbrechung beginnt eine neue
Verjährung.
4. Der Wirkungskreis des Strafgesetzbuches. Das Internatio-
nale Strafrecht und die Auslieferung. Durch die Reichsgesetzgebung
ist das Strafgesetzgebungsrecht der deutschen Einzelstaaten nicht beseitigt.
Aber nur auf den von der Reichsgesetzgebung nicht ergriffenen Gebieten kann
die Landesgesetzgebung tätig werden. Die Abgrenzung ist unter Umständen
äußerst schwierig; so ist die Rechtsgültigkeit der landesrechtlichen Straf-
drohungen gegen das Spielen in fremden Lotterien sehr bestritten.
Nach allgemeinen Grundsätzen sollten die Strafgesetze nur Anwendung
finden auf diejenigen Handlungen, die während ihrer Geltung begangen worden
sind. Das Reichsstrafgesetzbuch hat aber, im Anschluß an die meisten modernen
Gesetzbücher, die Rückwirkung milderer Gesetze auf Handlungen angeordnet,
die begangen waren, ehe das mildere Gesetz in Kraft getreten ist.
Von der Herrschaft des Strafgesetzes sind gewisse Personen befreit. So
stehen der Kaiser und die deutschen Landesherren, aber auch fremde Staats-
häupter und Gesandte, die auf deutschem Boden sich aufhalten, nicht unter den
deutschen Strafgesetzen. Und die Volksvertreter können wegen der in Aus-
übung ihres Berufes getanen Äußerungennicht zur Verantwortunggezogen werden.
Große Schwierigkeiten erwachsen aus dem Nebeneinanderbestehen der
von den verschiedenen Kulturstaaten erlassenen, inhaltlich weit voneinander
abweichenden Strafrechtsordnungen. Wie ist es, wenn ein Italiener, der in
Paris einen Engländer ermordet hat, in Berlin von der Polizei aufgegriffen wird?
Welche Gerichte sind zuständig? Welches Recht soll zur Anwendung kommen?
In sehr unglücklicher, Mißverständnisse geradezu heraufbeschwörender
Weise spricht man hier von „internationalem Strafrecht‘. Man meint damit
nicht etwa, was der Name sagt: ein Strafrecht, das allen Staaten der Völker-
rechtsgemeinschaft inhaltlich gemein wäre; ein solches internationales Straf-
recht gibt es heute nur in vereinzelten und bescheidenen Ansätzen. Sondern
man meint damit die Rechtsnormen, durch welche das räumliche Anwendungs-
gebiet des nationalen Rechtes bestimmt wird; also die Frage: findet das in-
ländische Recht auch auf die im Ausland begangenen Straftaten Anwendung?
Der Geltungs-
bereich der
Strafgesetze.
Das inter-
nationale Straf-
recht.