Full text: Die Kultur der Gegenwart. Band 2.8. Systematische Rechtswissenschaft. (8)

B. Das Strafprozeßrecht. II. Das geltende Recht. 265 
schwereren Fällen den Antrag auf Eröffnung der Voruntersuchung stellt oder 
aber unmittelbar die Eröffnung des Hauptverfahrens beantragt. In allen seinen 
dienstlichen Oblicegenheiten ist der Staatsanwalt an die Weisungen seiner 
Vorgesetzten gebunden, so daß er einem Konflikt zwischen diesen und seiner 
rechtlichen Überzeugung nur durch Niederlegung seines Amtes ent- 
gehen kann. 
Dem Verletzten hat die Französische Strafprozeßordnung eine wichtige 
prozessuale Stellung eingeräumt; als partie civile unterstützt er, mit selb- 
ständigen Rechten ausgerüstet, die Tätigkeit der Staatsanwaltschaft. Das 
hängt damit zusammen, daß nach französischem Recht der Ersatzanspruch 
aus dem Delikt im Strafverfahren vor dem Strafrichter verfolgt werden kann 
(Adhäsionsprozeß). Die Deutsche Reichsstrafprozeßordnung läßt nur in ge- 
wissen Einzelfällen den Verletzten zur Geltendmachung seines ‚„Bußanspruchs‘' 
im Strafverfahren zu und verweist im übrigen die Entscheidung über den 
Schadenersatz in den Zivilprozeß. Daher spielt die Nebenklage in unserer 
Prozeßordnung eine recht untergeordnete Rolle; nur der Bußberechtigte, der 
durch die Erhebung der öffentlichen Anklage aus seiner Hauptstellung ver- 
drängte Privatkläger, sowie derjenige, der gegenüber der ablehnenden Haltung 
der Staatsanwaltschaft beim Oberlandesgericht die Erhebung der öffentlichen 
Klage herbeigeführt hat, kann sich als Nebenkläger neben dem Staatsanwalt 
konstituieren. 
Der Begriff des Parteiprozesses setzt aber ferner voraus, daß nicht nur ein 
Kläger da ist, sondern daß auch der Beschuldigte als Prozeßsubjekt selb- 
ständig und selbsttätig in die Gestaltung des Prozesses eingreifen kann. Zu 
diesem Zwecke wird ihm unter gewissen Voraussetzungen ein rechtskundiger 
Beistand als Verteidiger an die Seite gegeben. Zulässig ist nach deutschem 
Reichsrecht die Verteidigung ‚in jeder Lage‘‘ des Verfahrens. Doch ist im 
Vorverfahren der Verkehr des Verteidigers mit dem verhafteten Beschuldigten 
beschränkt und auch das Recht der Akteneinsicht wird dem Verteidiger in 
diesem Abschnitt des Verfahrens nicht vollständig gewährt. Dazu kommt, 
daß der Verteidiger den Beweisaufnahmen im Vorverfahren nur ausnahms- 
weise beizuwohnen befugt, daß ihm daher jede ernstliche Einwirkung auf die 
Klarlegung des Sachverhaltes entzogen ist. Notwendig ist die Verteidigung in 
der schwurgerichtlichen Hauptverhandlung sowie vor dem Reichsgericht als 
erkennendem Gericht erster Instanz. 
b) Der Strafprozeß ist grundsätzlich vom Zivilprozeß verschieden. In 
diesem stehen (Ausnahmen im Eheprozeß und in einigen anderen Fällen) Privat- 
interessen in Frage; bei jenem handelt es sich um ein öffentliches Interesse, 
um das Interesse des Staates an der Aufrechterhaltung der Rechtsordnung. 
Daher können die Parteien im Zivilprozeß über den geltendgemachten Anspruch 
unmittelbar wie mittelbar frei verfügen: zur Erhebung der Klage wird der 
Berechtigte nicht gezwungen; durch Anerkennung, Verzicht, Vergleich können 
die Parteien das Verfahren jederzeit beendigen; der Richter darf nur die von 
den Parteien behaupteten Tatsachen und nur die von ihnen angegebenen Be- 
Unterschiede 
zwischen Zivil- 
und Strafprozeß.
	        
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