Full text: Die Kultur der Gegenwart. Band 2.8. Systematische Rechtswissenschaft. (8)

268 Franz von Liszt: Strafrecht und Strafprozeßrecht. 
erfolgen muß, wird der Angeklagte in das Sitzungszimmer zurückgeführt und 
ihm der Spruch durch Verlesung verkündet. Nun folgen die Schlußvorträge 
der Parteien zur Straffrage und die Urteilsfällung. Sind die Richter einstimmig 
der Ansicht, daß die Geschworenen in der Hauptsache zum Nachteil des An- 
geklagten sich geirrt haben, so können sie ohne Begründung die Sache zur neuen 
Verhandlung vor das Schwurgericht der nächsten Sitzungsperiode verweisen. 
Vor dem Reichsgericht spielt sich das Verfahren ebenso ab, nur daß die 
Zuziehung der Geschworenen entfällt. Im Verfahren vor der Strafkammer 
kann, im Verfahren vor dem Schöffengericht muß die Voruntersuchung weg- 
fallen. Dann erhebt die Staatsanwaltschaft auf Grund ihrer Vorerhebungen 
die öffentliche Klage durch den unmittelbaren Antrag auf Eröffnung des Haupt- 
verfahrens. 
Ein eigentliches Versäumnisverfahren kennt die Strafprozeßordnung nicht. 
Nur wenn die Tat bloß mit Geldstrafe bedroht ist, kann gegen den Abwesenden 
verhandelt und auf Grund der Beweisaufnahme das Urteil gesprochen werden; 
sonst beschränkt sich das Verfahren auf die beweiskräftige Feststellung der 
Tatsachen. Befreiung von der Pflicht, in der Hauptverhandlung zu erscheinen, 
wird dem Angeklagten nur unter gewissen Voraussetzungen gewährt. 
Die Rechtsmittel. 3. Als Rechtsmittel kennt die Strafprozeßordnung neben der Be- 
schwerde gegen Verfügungen und Beschlüsse die gegen das Endurteil gerichteten 
Rechtsmittel der Berufung und Revision. Die Berufung kann die Anfechtung 
des Gesamturteils, sowohl in bezug auf die Rechtsfrage als auch in bezug auf 
die Tatfrage und die Strafzumessung in sich schließen, so daß es zu einer völlig 
neuen Verhandlung vor dem Berufungsgericht kommt, in der neue Tatsachen 
und Beweismittel vorgebracht werden können und die nach den für die erst- 
instanzliche Verhandlung geltenden Grundsätzen (allerdings mit Beschränkung 
der unmittelbaren Beweisaufnahme) vor sich geht. Die Revision dagegen kann 
sich nur auf die Verletzung einer Rechtsnorm stützen, mag diese Norm dem 
Strafrecht oder dem Strafprozeßrecht oder einem anderen Rechtsgebiet an- 
gehören (das Vorliegen einer Unterschlagung kann davon abhängen, wie die 
Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes über den Eigentumsübergang auf- 
gefaßt werden). In der Revisionsinstanz kann mithin nur die Rechtsfrage zum 
Gegenstand der Verhandlung und Entscheidung gemacht werden. Das Be- 
rufungsgericht entscheidet, wenn es der Berufung stattgibt, regelmäßig zu- 
gleich in der Sache selbst und begnügt sich nur ausnahmsweise mit Aufhebung 
des Vorurteils und Rückverweisung in die Vorinstanz. Das Revisionsgericht 
dagegen wird, wenn es die Revision nicht als unbegründet verwirft, meist unter 
Aufhebung des Urteils in die Vorinstanz zurückverweisen und nur ausnahms- 
weise in der Sache selbst erkennen. 
Dem rechtskräftigen Urteil gegenüber ist nur das Begehren um Wieder- 
aufnahme des Verfahrens zulässig. Dieses kann darauf gestützt werden, 
daß das Urteil auf einer begangenen strafbaren Handlung (Fälschung einer 
Urkunde, Meineid eines Zeugen, Rechtsbeugung eines Richters) beruht; sie 
kann ferner zugunsten des Verurteilten auch dann gewährt werden, wenn neue
	        
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