Quellen.
Gemeinsames.
276 WILHELM KAaHL: Kirchenrecht.
Jenes scheidet sich in das kirchliche Verfassungs- und Regierungsrecht,
je nachdem es den Kirchenorganismus von seiten der Stabilität seiner Organi-
sation, oder nach der Seite seiner Tätigkeit zur Erfüllung der kirchlichen
Zwecke rechtlich bestimmt.
Endlich wird der Gegenstand dieser Gemeinschaftsordnung und damit
der Begriff des Kirchenrechts abschließend differenziert durch die Tatsache der
Eingliederung der Kirchen in den Staat. Dadurch entsteht ein doppelter
Normenkreis. Ein solcher, welcher, auf der autonomen rechtsbildenden Tätig-
keit der Kirchen allein beruhend, nur deren innere Gemeinschaftsverhältnisse
zum Gegenstand hat und daher allein auch mit kirchlichem Rechtszwang sich
durchzusetzen vermag. Daneben ein solcher, welcher vom Staate ausgeht und
daher allein auch unter die Garantien seiner Rechtsverwirklichung tritt.
Dahin entfällt notwendig ein Dreifaches. Die Privatrechtsordnung in der
Kirche, durch welche deren Stellung als Vermögensrechtssubjekt geregelt wird.
Ihre Verhältnisbestimmung zum Staat, d. h. Art und Maß ihrer recht-
lichen Freiheit und Unterordnung im Staat. Zuletzt das Rechtsverhältnis der
Kirchen untereinander. Die beiden letzteren Gruppen von Rechtsregeln
werden gemeinhin unter der Bezeichnung „Staatskirchenrecht‘‘ zusammen-
gefaßt.
Für die nachfolgende Darstellung ist um ihres besonderen Zweckes willen
der Aufbau in der Art gewählt, daß er mit der internen Ordnung des Kirchen-
organismus selbst, d. i. Kirchenverfassung und Regierung beginnt, demnächst
auf die, die kirchlichen und staatlichen Kreise durchdringenden Rechtsverhält-
nisse der einzelnen Kirchenglieder und der Kirchengesellschaften untereinander
sich erweitert, und endlich mit der das Ganze umspannenden Verhältnisordnung
von Kirchen und Staat schließt.
Die Quellen des Kirchenrechts sind zunächst solche, welche es der Art
nach mit allem Rechte weltlichen Ursprungs teilt: Gewohnheit und Gesetz.
Das Gesetzesrecht beherrscht weit überwiegend die Gegenwart. Durch seine
reiche Entwickelung hat sich das Sachgebiet der in der bloßen Übung der
Kirchenglieder unmittelbar sich äußernden und behauptenden Produktivität
des rechtlichen Gemeinschaftsgeistes erheblich eingeengt. Das Gewohnheits-
recht führt zumeist nur noch ein bescheidenes Dasein in der Beschränkung
auf einzelne Rechtsverhältnisse oder im Kreise kleinerer kirchlicher Verbände.
Das Gesetzesrecht seinerseits fließt teils aus kirchlicher, teils aus staatlicher
Quelle.
Eine gemeinsame kirchengesetzliche, aus der vorreformatorischen
Zeit übernommene, daher interkonfessionelle Rechtsquelle ist das Corpus
Juris Canonici, dessen Hauptteil die in der Mitte der Rechtssammlung eine
Einheit bildenden drei offiziellen päpstlichen Dekretalensammlungen Gregors IX.
(1234), Bonifaz VIII. (1298) und Clemens V. (1313) sind. Ihre formale Geltung
für das bürgerliche Rechtsgebiet haben sie verloren. Kirchengesetzlich gilt das
C. J. C. insoweit, als seine Anwendung nicht durch die spätere Kirchengesetz-
gebung beschränkt oder aufgehoben, in der evangelischen Kirche außerdem