III. Kirchenmitgliedschaft. 205
gehalten und daher eine Wiederholung der Taufe abgelehnt. Weil aber die
katholische Kirche alle gültig Getauften als durch die Taufe ihr ohnehin recht-
lich und immerwährend mitgliedschaftlich zugeeignet in Anspruch nimmt, und
hiernach die Glieder einer anderen Kirchengemeinschaft als solche ansieht,
welche sich ihr nur tatsächlich und zeitlich durch das Verbrechen der Ketzerei
entzogen haben, so erkennt sie in dem Übertritt des Christen in ihre Gemein-
schaft nur Rückkehr aus verbrecherischem Zustand und hat folgerichtig zu
den anderweitigen Erfordernissen des Konfessionswechsels noch die förm-
liche Abschwörung der Häresie hinzugefügt. Sie fordert also von dem
übertretenden Christen ein Mehreres, als von dem eintretenden Nichtchristen.
Der evangelischen Kirche muß das Verlangen einer Abjuration fremd sein,
weil sie in der Häresie einen Irrtum, aber keinen Straftatbestand erkennen
kann.
Die vollkommene Wirkung des Übertrittes Erwachsener bestimmt sich
in Ansehung der verlassenen Kirche nach den Rechtsregeln über den völligen
Austritt aus der Kirche überhaupt (s. unten 3).
Nicht erwachsene Personen im Sinne der erwähnten Altersgrenzen
haben keine Selbstverfügung über ihre Kirchenmitgliedschaft. Nach der Regel
christlicher Ordnung, welche als solche auch die geschichtliche Anerkennung
des Staates besitzt, geschieht der Eintritt in die Kirche durch die Kindertaufe.
Diese zu veranlassen, ist der Kirche gegenüber Rechtspflicht, dem Staate gegen-
über Gewissensrecht der Eltern. Die Taufe allein entscheidet aber nach staat-
lichem Recht nicht unbedingt über den Verbleib des Kindes in einer be-
stimmten Konfessionskirche. Vielmehr bildet nach feststehender Auffassung
des deutschen Rechtes die intellektuell-religiöse Erziehung des Kindes
mit dem Eintritt der gesetzlichen Schulpflicht einen Bestandteil der staatlich
kontrollierten Erziehung überhaupt. Daher steht grundsätzlich mit Beginn
der gesetzlichen Schulpflicht die Entscheidung über die Kirchenmitgliedschaft
den nach bürgerlichem Rechte mit der allgemeinen Erziehungsgewalt
betrauten Personen zu. Dies gilt unbedingt zunächst für alle Regelfälle der
religiösen Erziehung von Kindern aus ungemischter Ehe. Die einer Religion
oder Konfession angehörenden Eltern haben daher die staatlich unbeeinflußte
Freiheit, ihre ehelichen Kinder auch in einer von der eigenen Konfession ab-
weichenden Religionslehre unterrichten zu lassen und durch eben diesen Unter-
richt deren Kirchenmitgliedschaft bis zum Eintritt des Diskretionsalters end-
gültig zu bestimmen. Bei diesem allgemeinen Grundsatz konnte aber die staat-
liche Einwirkung auf die rechtliche Ordnung der religiösen Kindererziehung in
Deutschland nicht stehen bleiben. Vielmehr war es unvermeidlich, daß teils
aus Rücksichten auf die Sicherheit des Personenstandes, teils zur Sicherstellung
des religionsgesellschaftlichen Tatbestandes und zur Wahrung des konfes-
sionellen Friedens weitergehende, absolute oder dispositive Normen über die
religiöse Erziehung von Dissidentenkindern, von Adoptiv- und Pflege-
kindern, von Findel- und unehelichen Kindern, endlich aber von Kindern
aus gemischter Ehe getroffen wurden.
Kirchen-
mitgliedschaft
nicht
Erwachsener.