IV. Die Kirchengesellschaften in ihrem gegenseitigen Rechtsverhältnis. 307
waltungsgerichte entscheiden. Entsteht aber Streit über das Recht selbst, so
entscheiden die ordentlichen Gerichte. Hauptsächlich ist, im Zusammenhange
mit den geschichtlichen Erfolgen der Gegenreformation, neben Schlesien der
Westen und Südwesten des Reiches (Rheinprovinz, Westfalen, Pfalz, Reichs-
lande, rechtsrheinisches Bayern, Hessen) an Simultaneen dieser Art beteiligt.
Bemerkenswert ist auch hier die prinzipiell verschiedene Stellung der Kon-
fessionen. An und für sich lehnt das kanonische Recht die Mitbenutzung eines
Kirchengebäudes durch Häretiker ab. Aus Zweckmäßigkeitsgründen hat aber
die katholische Kirche schon im eigenen Interesse Protestanten gegenüber von
der Strenge dieses Standpunktes abgesehen. Dagegen hat eine päpstliche Ver-
fügung von 1873 den Altkatholiken gegenüber die strenge Konsequenz fest-
gehalten. Diesen ist die protestantische Kirche in der schwierigen Zeit des
Übergangs durch Einräumung des Mitgebrauchs von Kirchengebäuden vielfach
hilfreich entgegengekommen. Denn ein Grund prinzipieller Ablehnung von
Simultaneen besteht für sie nicht. Da sie aber ihren Besitzstand unter fort-
währenden Kämpfen zu verteidigen hat, strebt sie der Ablösung dieser Ver-
hältnisse zu und es kommt vor, daß aus landes- oder provinzialkirchlichen
Mitteln den Gemeinden Beihilfen für diesen Zweck geleistet werden. Eine Neu-
begründung von Simultaneen ist in den deutschen Gebieten französischen
Rechtes ausgeschlossen.
3. Die Grenzen der staatlichen Paritätspflege liegen in ihrem Grenzen der
Zweck. Sie bezweckt die Handhabung der Gerechtigkeit und die Erhaltung Farltätspfiene
des Rechtsfriedens im Verhältnis der Konfessionen. Dagegen kann die Über-
windung der innerkirchlichen dogmatischen oder rechtlichen Gegensätze
der Konfessionen nicht in der Aufgabe der staatlichen Paritätspflege gelegen
sein. Dies äußert Wirkungen nach zwei Seiten.
Zunächst für den Bestand des innerkirchlichen Gegensatzes zwischen im Verbältnis ven
dem Katholizismus und der Einheit des Protestantismus. Der amtliche “u
Katholizismus verweigert noch heute der Gemeinschaft der Evangelischen Protestantismus
die Anerkennung als ‚Kirche‘. Er verweigert damit grundsätzlich die An-
erkennung des paritätischen Staates im Sinne gleichberechtigter Koexistenz
einer Mehrheit von ‚‚Kirchen‘‘ (Syll.$ 10). Die Festhaltung dieses Exklusivitäts-
anspruchs kann durch Staatsgesetz nicht verhindert werden. Verhindert
wird durch die Paritätspflege nur die Wirksamkeit der Konsequenzen jenes
Anspruchs auf dem äußeren Rechtsgebiet. Die Sicherstellung der Parität
erfolgt hier hauptsächlich durch die staatliche Begrenzung der kirchlichen
Strafgewalt und durch die erwähnte Einwirkung des Staates auf Begründung,
Folgen und Beendigung der Kirchenmitgliedschaft.
Die Zweckbestimmung der Parität äußert ihre beschränkenden Wirkungen im Verhältnis der
aber nicht weniger auf das Wechselverhältnis der beiden evangelischen kn
Konfessionen untereinander. Dem innerkirchlichen Gegensatz der luthe-
rischen und reformierten Kirche steht der Staat prinzipiell unbeteiligt
gegenüber. Er erkennt einerseits diesen Gegensatz als tatsächlich vorhanden
an und hat ihm, als einem geschichtlich begründeten, in seiner Gesetzgebung
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