B. Die kritische Rechtstheorie. 13
liche Natur der modernen Produktivkräfte durchdringen; es müssen also Pro-
duktions-, Aneignungs- und Austauschweise dahin in Einklang miteinander
gesetzt werden, daß der sozialisierten Art der Produktion die Kollektivierung
der Produktionsmittel als naturnotwendiger Vorgang folge.
Bei der kritischen Würdigung der materialistischen Geschichtsphilosophie
darf auf die eben geschilderte besondere Anwendung im marxistischen Sozialis-
mus nicht zuviel Gewicht gelegt werden. Jene Grundauffassung ist von einzel-
nen Nationalökonomen adoptiert worden, ohne daß sie die genannten sozialis-
tischen Folgerungen gezogen hätten. Das wahrhaft Bedeutsame ist in der
Tat jene prinzipiell lehrende Theorie. Und diese kann als grundlegende
formale Methode nur in einer erkenntniskritischen Erwägung zu-
treffend erledigt werden. Eine solche ergibt, daß die materialistische Geschichts-
auffassung unfertig und nicht ausgedacht ist.
Sie ist unfertig; denn sie gibt niemals eine kritische Besinnung auf die Kritik der
Grundbegriffe, die sie verwendet: Gesellschaft, ökonomische Phänomene, so- che ”
ziale Produktionsweise usw. Der vage Hinweis auf die notwendig zu beachtende Auffassung.
Technologie genügt nicht: denn es handelt sich hier nicht um eine theoretisch
mögliche, sondern um eine praktisch verwirklichte Beherrschung der
Natur in gesellschaftlichem Zusammenwirken.
Sie ist nicht ausgedacht; denn sie macht sich nicht klar, welche Art
von Notwendigkeit sie für kommende Umformungen des Rechtes behauptet
Dies kann nicht einfach eine Einsicht in den Werdegang bedeuten; so wenig
wie die Erkenntnis des Werdens eines naturwissenschaftlichen Lehrsatzes
dessen inhaltliche Richtigkeit verbürgt. Um diese letztere handelt es
sich gleichfalls bei der sozialen Frage. Darum ist die Notwendigkeit einer
sozialen Änderung die Notwendigkeit des Zweckes. Das ist unvermeidlich,
weil die grundlegende Bedingung der sozialen Betrachtung, nämlich die
Regelung des Zusammenwirkens, stets etwas bewirken und Zwecke verfolgen will.
B. Die kritische Rechtstheorie.
Fragestellung und Methode. Von den besprochenen Hauptrichtungen
in der Rechtstheorie der Gegenwart hat nicht nur eine jede gewisse besondere
Bedenken gegen sich: sie leiden noch an einem grundlegenden Mangel, der
ihnen gemeinsam ist und aller seitheriger Rechtsphilosophie überhaupt inne
wohnt. Es sind nämlich bislang alle hierher gehörigen Bemühungen darauf
gerichtet gewesen, auf die Fragen der allgemeinen Rechtstheorie, die wir in Die drei Fragen
der Einleitung entwickelten: — nach dem Begriffe des Rechtes, der Be- hilosoohie
rechtigung des Rechtszwanges und dem richtigen Inhalte eines Rechtes
— mit einer und derselben Formel zu antworten. So meinte man, was im
sozialen Leben: der geselligen Natur des Menschen, oder: der Natur des Rechtes,
2. B. dem contrat social nach einer volonte.gen£rale (A. 1), oder: dem Geiste eines
Volkes als Naturganzen (A. 2), oder: der sozialen Wirtschaft und Produktions-
weise (A. 3) entspreche, das sei begrifflich ‚Recht‘‘, das gebrauche mit