Reformations-
recht.
Staatsrechtliche
Unterscheidung
der Religions-
gesellschaften.
3Io WILHELM KAHL: Kirchenrecht.
knüpfenden Entwickelung in das sog. Reformationsrecht, das Oberaufsichts-
recht und das Schutzrecht.
Das gegenüber dem älteren geschichtlichen Begriffe erheblich einge-
schränkte Reformationsrecht des Staates begreift im gegenwärtigen Sinne
ein Doppeltes: das Recht der Aufnahme neuer und das Recht der staats-
rechtlichen Differenzierung der bestehenden Kirchen- und Religions-
gesellschaften. Hinsichtlich des ersteren, also der Neubildung von Religions-
gesellschaften kreuzen sich im geltenden Recht zwei verschiedene Systeme.
Nach dem einen besteht die volle Freiheit der Vereinigung zu Religionsgesell-
schaften. Diese Freiheit bildet dann lediglich einen Bestandteil der gesetzlich
gewährleistzten Vereinsfreiheit. Die Bildung neuer Religionsgesellschaften kann
sich hiernach in den Formen und unter den Bedingungen, welche für öffentliche
Vereine überhaupt vorgeschrieben sind, vollziehen. So beispielsweise in Preußen.
In anderen Staaten ist die Neubildung von Religionsgesellschaften an das
Erfordernis ausdrücklicher staatlicher Genehmigung geknüpft, welche ihrer-
seits entweder in der Form des Gesetzes oder der administrativen Bewilligung
zu erfolgen hat. Das letztere ist die Regel. So ist beispielsweise in Bayern
königliche Genehmigung erforderlich. In der staatsrechtlichen Klassifizierung
der bestehenden Religionsgesellschaften treten, ungeachtet außerordentlicher
Mannigfaltigkeiten des partikulären Rechtes in den Einzelheiten, doch gewisse
juristische Grundtypen gleichmäßig auf. Es sind zu unterscheiden die Kirchen
mit öffentlich-rechtlicher Korporationsqualität, Religionsgesellschaften mit
privatrechtlicher Rechtsfähigkeit und bloße religiöse Vereine. Die rechtliche
Stellung von öffentlichen Korporationen haben die evangelischen (luthe-
rischen, reformierten, unierten) und ausnahmslos die römisch-katholischen
Landeskirchen, in den meisten deutschen Staaten (nicht in Bayern) auch die
altkatholischen Gemeinden. Durch welche Merkmale sich die Eigenschaft einer
öffentlichen Korporation bestimme, ist freilich eine ungemein schwierige und
bestrittene Frage. In Anwendung des Begriffs auf die Kirchen lassen sich aber
jedenfalls übereinstimmend als charakteristische Grundmerkmale bezeichnen:
das staatlich anerkannte Recht auf Ausübung einer obrigkeitlichen Gewalt über
die Kirchenglieder, die Ausstattung mit besonderen Privilegien und dem-
entsprechend ein geordnetes staatliches Oberaufsichtsrecht. Zur Gruppe der
Religionsgesellschaften mit privatrechtlicher Rechtsfähigkeit gehören
allgemein die jüdischen Synagogengemeinden und von christlichen Religions-
gesellschaftan z. B. in Preußen Herrnhuter, Altlutheraner, Mennoniten,
Baptisten, in Bayern auch die griechisch-katholische Gemeinde in München
und seit 1890 die Altkatholiken. Die rechtliche Stellung dieser Religions-
gesellschaften beruht zumeist auf besonderen Konzessionsurkunden, in denen
das Maß ihrer Berechtigung näher festgestellt ist. Allgemein ist nur der Besitz
der juristischen Persönlichkeit im Gebiete des Privatrechts. Der Wert dieser
Eigenschaft liegt aber nicht allein in der damit gegebenen Vermögensfähigkeit,
sondern ist nach der gegenwärtigen Lage der Reichs- und Landesgesetzgebung
noch dadurch gesteigert, daß mit dem Besitz der Korporationsqualität von