Mittel der
Staatsaufsicht.
Placet.
312 WILHELM KaHuL: Kirchenrecht.
ein Fünffaches. Im Gebiet der Kirchenverfassung betätigt sich die Staats-
aufsicht durch gesetzlich bemessene Beteiligung an der Verleihung von Kirchen-
ämtern (Einspruchs- oder Bestätigungsrechte), namentlich durch Mitwirkung
an der Besetzung der Bischofsstühle, ferner durch Einflußnahme auf die wissen-
schaftliche Vorbildung der Geistlichen und Kontrolle über die hierfür errichteten
kirchlichen Anstalten, sodann durch die schon erwähnten Vorbehalte staat-
licher Zuständigkeit hinsichtlich der Zulassung und Tätigkeit von geistlichen
Gesellschaften (Orden, Kongregationen).. Der Oberaufsicht untersteht der
Kultus in seinen äußeren Beziehungen zu Staat und Gesellschaft, namentlich
also insoweit er etwa in Prozessionen und religiösen Begräbnisfeierlichkeiten
in die Öffentlichkeit tritt. Die oben erwähnte Bestimmung des Reichsvereins-
gesetzes hat auch die landesrechtlichen Vorschriften über kirchliche Prozessionen,
Wallfahrten und Bittgänge sowie über geistliche Orden und Kongregationen
unberührt gelassen. Es bestehen ferner Äußerungen der Staatsaufsicht im
Gebiete der kirchlichen Straf- und Disziplinargewalt, durch welche die
Kirchen bestimmten Beschränkungen in Ansehung der Strafmittel und ihrer
bürgerlichen Wirkungen, hinsichtlich des Zweckes ihrer Anwendung und der
formellen Garantien eines gerechten Verfahrens unterworfen, endlich auch die
kirchlichen Demeriten- und Korrektionsanstalten einer staatlichen Über-
wachung unterstelt sind; alles dies freilich in außerordentlicher partikular-
rechtlicher Verschiedenheit. Ein weiteres und praktisch ungemein wichtiges
Gebiet der administrativen Aufsichtsübung ist die kirchliche Vermögens-
verwaltung; sie rechtfertigt sich prinzipiell unter dem Gesichtspunkte der
weitgehenden Staatsleistungen für kirchliche Zwecke und äußert sich nament-
lich in dem Vorbehalte der staatlichen Genehmigung zu wichtigeren Akten der
kirchlichen Vermögensverwaltung, bei welchen ein besonderes Staatsinteresse
an der Erhaltung und zweckmäßigen Verwendung des Kirchenvermögens in
Frage kommt. Zuletzt unterliegen selbstverständlich die Kirchen und Kirchen-
beamten einer Oberaufsicht auf allen denjenigen Gebieten, auf welchen sie an
ursprünglichen Aufgaben der Staatspflege selbst beteiligt werden, als
namentlich da, wo ständige Gottesdiensteinrichtungen in gewissen Anstalten
der staatlichen Wohlfahrts- und Sicherheitspflege, wie Krankenhäusern, Straf-
anstalten getroffen sind; ferner in der großen Organisation der Militärseelsorge
und namentlich auf dem Gebiete des staatlichen Unterrichtswesens, bei welchem
auf allen Stufen, an Volks-, Mittel- und Hochschulen eine organische Beteiligung
der Kirche vorgesehen ist. Die allgemeinen Formen und Mittel der Auf-
sichtsübung über die Kirchen und Religionsgesellschaften sind dieselben, wie
in allen Zweigen der Staatsverwaltung (Verfügungen, Visitationen, Ordnungs-
strafen, polizeiliche Zwangsmittel). Daneben haben sich unter dem besonderen
Gesichtspunkt der Kirchenhoheit noch spezielle Mittel der Staatsaufsicht
teils präventiven, teils repressiven Charakters ausgebildet. Als das am meisten
umstrittene Mittel präventiver Aufsichtsübung hat sich in mehreren deutschen
Staaten das sog. Placet, d. h. der Vorbehalt staatlicher Genehmigung zur
Verkündigung oder zum Vollzug kirchlicher Gesetze und Erlasse erhalten, so