V,. Kirchen und Staat. 315
Ordnung und Sicherheit der Kultusübung und das Kirchenvermögen bilden
(RStGB. 88 166—168, 243!, 304, 3061, 3661).
Wie ist diese, hier in den äußersten Grundrissen gezeichnete Verhältnis-
ordnung von Staat und Kirche in Deutschland entstanden? Besitzt sie
prinzipielle Berechtigung und welches sind die Aussichten ihrer
Zukunft? In diesem Fragenkreise schließt sich die Lösung der hier gestellten
Aufgabe ab.
2. Geschichtliches und Prinzipielles. Die Geschichte eines rechtlich Feschichtlicher
geordneten Verhältnisses von Staat und Kirche konnte erst mit der Anerkennung uaepunkt
des Christentums im römischen Reiche beginnen. Diese Anerkennung erfolgte
im Mailänder Toleranzedikt von 313. In ihm ist die Parität von Heidentum,
Christentum und Judentum erklärt. Aber diese Gleichberechtigung blieb nicht
die Grundlage der weiteren Entwickelung des Verhältnisses von Staat und
Kirche. An ihre Stelle trat schon 380 die Alleinberechtigung des Christen-
tums. Theodosius erklärt die christliche Religion zur Staatsreligion. Die Kirche
ist Staatskirche geworden. Es ist die Einheit von Staat und Kirche proklamiert.
Dieser Werdegang bis zur Gründung der Staatskirche ist, wie schon im Eingang
erwähnt, in einem früheren Teile dieses Werkes aufgezeigt. Ich habe also hier
die Grundlinien der nachfolgenden Entwickelung mit ihren in die Gegenwart
reichenden Ausläufern zu ziehen.
Mit der im Jahre 380 reichsgesetzlich proklamierten Einheit von Staat Einbeitssysteme.
und Kirche war die Möglichkeit einer doppelten Entwickelung in die Welt-
geschichte gelegt. Der Staat konnte sich die Kirche eingliedern und unter-
ordnen, die Kirche konnte den Staat in sich auf- und untergehen lassen. Die
Zukunft zog beide Konsequenzen. Die Herrschaft des Staates über die Kirche
und die Herrschaft der Kirche über den Staat lösten einander ab. Jene be-
festigte sich nach der Trennung des römischen Reiches (395) zunächst in der
östlichen Reichshälfte mit ihrem Mittelpunkt in Byzanz. Hier verengert sich Byazantinismus.
der Einheitsgedanke zur völligen Herrschaft des Staates über die Kirche. Dieser
Byzantinismus hat seinen gesetzlichen Ausdruck vor allem in dem Codex
Justinianeus von 534 erhalten. Das ganze der kirchlichen Rechtsordnung
Äußeres und Inneres, Gesetzgebung und Verwaltung werden durch den Willen
des Kaisers maßgebend bestimmt. Den Nachwirkungen dieses morgenländischen
Staatskirchentums bis in die Gegenwart, wie sie sich ausprägen in den bestehen-
den Verhältnisformen zwischen Staat und griechischer Kirche, ist hier nicht
zu folgen. Die geschichtlichen Entwickelungsbedingungen für Deutschland
liegen allein in den Schicksalen der westlichen Hälfte des römischen Reiches.
Hier, im Abendland, hat sich durch eine merkwürdige Gruppierung der Kirchenstaats-
gedankengebenden Personen und der entscheidenden geschichtlichen Tat- m.
sachen, nach endlosen Reibungen und Schwankungen und erst nach heftigem
Widerstand der christianisierten germanischen Staaten der Einheitsgedanke im
Sinne der absoluten Kirchenherrschaft abgeschlossen und in dieser Ausprägung
noch positiv rechtlich während des Mittelalters erhalten. Die Gedankenreihen
Pseudoisidors haben gesiegt. Es hat sich die Verhältnisform des Kirchen-