D. Die Reichsverwaltung. II. Die öff. Verkehrsanstalten. III. Das Gerichtswesen. 353
und Württemberg den Regierungen dieser beiden Staaten überlassen. (RV.
Art. 50 und 52.)
2. Die Eisenbahnen stehen im Eigentum und der selbständigen Ver-
waltung der Einzelstaaten mit Ausnahme der Reichseisenbahnen in Elsaß-
Lothringen, welche das Reich aus der französischen Kriegskostenentschädigung
der französischen Ostbahn abgekauft und aus eigenen Mitteln ausgebaut und
erweitert hat. Auch gibt es noch einige Vollbahnen, welche im Eigentum und
Betrieb von Aktiengesellschaften stehen. Das Reich hat die Zuständigkeit zur
Gesetzgebung und Beaufsichtigung des Eisenbahnwesens (Art. 4 Ziff. 8); bisher
aber ein Eisenbahngesetz nicht erlassen. Die Bundesregierungen sind ver-
pflichtet, die deutschen Eisenbahnen im Interesse des allgemeinen Verkehrs
wie ein einheitliches Netz verwalten und zu diesem Behuf auch die neu herzu-
stellenden Bahnen nach einheitlichen Normen anlegen und ausrüsten zu lassen.
(Art. 42.) Es sollen ferner übereinstimmende Betriebseinrichtungen getroffen
und gleiche Bahnpolizeireglements eingeführt werden. Dem Reich steht die
Aufsicht über den baulichen Zustand, das Betriebsmaterial und das Tarifwesen
zu. Zum Zweck der Verteidigung Deutschlands haben alle Eisenbahnverwal-
tungen den Anforderungen der Reichsbehörden unweigerlich Folge zu leisten
(Art. 47.) Auf Grund dieser Verfassungsbestimmungen hat der Bundesrat
Normalbestimmungen über die Konstruktion und Ausrüstung der Eisenbahnen,
ein Betriebsreglement (Verkehrsordnung), ein Bahnpolizeireglement und andere
Verordnungen beschlossen. Zur Ausübung der in der RV. dem Reiche zuge-
schriebenen Befugnisse ist das Reichseisenbahnamt in Berlin errichtet worden,
gegen dessen Verfügungen der Rekurs an das durch richterliche Beamte ver-
stärkte Reichseisenbahnamt zulässig ist.
Bayern ist von der Anwendung der in den Artikeln 42—45 der RV. ge-
troffenen Bestimmungen und von der Zuständigkeit des Reichseisenbahnamtes
ausgenommen; dagegen sind die im Interesse der Landesverteidigung getroffenen
Anordnungen auch für Bayern geltend.
Ill. Das Gerichtswesen. Es ist in dem engen Rahmen dieses Aufsatzes
selbstverständlich unmöglich, die Gerichtsverfassung, die Prozeßordnungen und
den fast unübersehbaren Inhalt der zahlreichen anderen die Rechtspflege be-
treffenden Reichsgesetze auch nur andeutungsweise darzustellen; die Erörterung
muß sich auf die Einwirkung des bundesstaatlichen Verhältnisses auf die Ge-
richtsbarkeit beschränken. Die bürgerlichen Gerichte im Reichsgebiet sind,
mit Ausnahme des in letzter Instanz entscheidenden Reichsgerichts, Staats-
gerichte; sie leiten ihre Gerichtsgewalt von der Staatsgewalt ihres Staates ab
und diese ist grundsätzlich auf das Gebiet des betreffenden Staates beschränkt.
So wie aber die Einzelstaaten bei der Ausübung ihrer Gerichtshoheit an die
Vorschriften der Reichsgesetze gebunden sind, so erstreckt sich anderseits die
staatsrechtliche Rechtskraft, d.h. die Vollstreckbarkeit der gerichtlichen Urteile
auf das ganze Bundesgebiet. Das gleiche gilt hinsichtlich der Wirkungen der
bei einem Gerichte eingetretenen Rechtshängigkeit, sowie auf die verpflichtende
Kultur der Gegenwart. II. 8. 2. Aufl 23
2. Eisenbahnen.