Full text: Die Kultur der Gegenwart. Band 2.8. Systematische Rechtswissenschaft. (8)

D. Die Reichsverwaltung. IV. Das Reichskriegswesen. 357 
jahres 1910 allmählich auf eine gewisse Zahl erhöht werden sollte, ohne daß ein 
Endtermin für die Geltung dieser Bestimmung festgesetzt wurde. Nach dem 
geltenden Gesetz vom 27. März IgIıı und der Abänderung desselben durch das 
Gesetz vom 14. Juni 1912 soll die Friedenspräsenzstärke des deutschen Heeres 
als die den Ansätzen desMilitäretatszugrundezulegendeJahresdurchschnitts- 
stärke allmählich derart erhöht werden, daß sie im Laufe des Rechnungsjahres 
1915 die Zahl von 544211 Gemeinen, Gefreiten und Obergefreiten erreicht und 
in dieser Höhe bis zum 31. März 1916 bestehen bleibt. Wird vor diesem Termin 
nicht ein neues Gesetz erlassen, welches für die spätere Zeit die Friedenspräsenz- 
stärke bestimmt, so fehlt es alsdann an einer gesetzlichen Grundlage derselben. 
Die Wehrpflicht ist die staatsbürgerliche Verpflichtung zur Dienst- Wehrpäicht. 
leistung in der bewaffneten Macht (Heer, Marine, Landsturm). Sie dauert vom 
vollendeten 17. bis zum vollendeten 45. Lebensjahre. Nach dem Gesetz vom 
15. April 1905, durch welches Art. 59 Abs. ı der RV. abgeändert worden ist, 
dauert der Dienst im stehenden Heere vom vollendeten 20. bis zum beginnenden 
28. Lebensjahre. Von dieser siebenjährigen Zeit sind die Mannschaften der 
Kavallerie und reitenden Feldartillerie die ersten drei, alle übrigen Mannschaften 
die ersten zwei Jahre zum ununterbrochenen aktiven Dienste bei den Fahnen 
verpflichtet; während der folgenden Jahre sind sie zur Reserve beurlaubt. Die 
folgenden fünf Lebensjahre gehören sie der Landwehr I. Aufgebots und sodann 
bis zum 31. März des Kalenderjahres, in welchem das 39. Lebensjahr vollendet 
wird, der Landwehr II. Aufgebots an. Die Mannschaften der Kavallerie und 
reitenden Feldartillerie, welche im stehenden Heere drei Jahre aktiv gedient 
haben, gehören dafür nur drei Jahre zur Landwehr I. Aufgebots; dasselbe gilt 
für Mannschaften der Fußtruppen, der fahrenden Feldartillerie und des Trains, 
welche freiwillig im stehenden Heere drei Jahre gedient haben. Die Mannschaften 
der Landwehrkavallerie werden im Frieden zu Übungen nicht herangezogen; 
alle übrigen Mannschaften der Landwehr I. Aufgebots können zu zwei Übungen 
von einer Dauer von 8 bis 14 Tagen einberufen werden. Die Landsturmpflicht 
dauert bis zum vollendeten 45. Lebensjahre. 
Wehrpflichtige, welche nicht zur Einstellung in einen Truppenteil gelangen, 
werden der Ersatzreserve überwiesen und sind zur Ableistung von drei Übungen 
von 10, 6 und 4 Wochen verpflichtet. Die Zugehörigkeit zur Ersatzreserve 
dauert 12 Jahre. 
Die Kriegsmarine ist noch in der Entwicklung und Fortbildung begriffen. 
Die RV. enthält im Art. 53 nur die beiden Sätze, daß der Oberbefehl über die 
Kriegsmarine, die Organisation und Zusammensetzung derselben und die Er- 
nennung der Offiziere und Beamten dem Kaiser zusteht und daß die Gesamt- 
kosten der Kriegsflotte aus der Reichskasse bestritten werden. Hierdurch wird 
die Kriegsmarine zur unmittelbaren Reichsanstalt erklärt und die Zuständigkeit 
der Einzelstaaten völlig ausgeschlossen. Eine reichsgesetzliche Grundlage 
erhielt die Organisation der Marine aber erst durch das Flottengesetz vom 
10. April 1898 und die in schneller Folge dazu ergangenen Novellen. Die jetzt 
geltenden Vorschriften sind in der Redaktion vom 27. Juni 1912 vom Reichs- 
Kriegsmarine.
	        
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