E. Das Landesstaatsrecht. I. Allgemeiner Charakter der Staatsverfassungen. 361
Reichs durch das Reichskontrollgesetz vom 21. März IgIO erhalten haben.
Die Kontrolle umfaßt die kalkulatorische Prüfung der Kassenrechnungen und
die Ordungsmäßigkeit der Belege; ferner die Prüfung, ob die Einnahmen und
Ausgaben sich im Einklang mit den bestehenden Gesetzen und Verwaltungsvor-
schriften befinden; endlich inwieweit die Verwaltung dem Etat gemäß geführt ist.
Die allgemeine Rechnung über den Jahreshaushalt des Reiches und die
Bemerkungen des Rechnungshofes sind dem Bundesrat und Reichstag vorzu-
legen, welche dem Reichskanzler die Entlastung (Decharge) zu erteilen haben,
wenn sie begründete Ausstellungen an der Rechnung nicht erheben.
E. Das Landesstaatsrecht.
I. Allgemeiner Charakter der Staatsverfassungen. Die deutschen
Staaten sind mit Ausnahme der drei freien Stadtstaaten (Hamburg, Bremen
und Lübeck) und Mecklenburgs konstitutionelle Monarchien. Die Einführung
dieser Verfassungsform erfolgte in den süddeutschen Staaten (Bayern, Württem-
berg, Baden und Hessen) und einigen kleinen Staaten bald nach der Gründung
des Deutschen Bundes in den Jahren 1818—1820; eine zweite Gruppe folgte
unter den Einwirkungen der französischen Julirevolution in der Zeit von 1831
bis 1833 (Sachsen, Kurhessen, Braunschweig, Hannover); endlich Preußen
nebst einigen anderen Staaten 1848 und in den nächstfolgenden Jahren. Alle
diese Verfassungen beruhen auf dem monarchischen Prinzip im Gegensatz
zu dem auf der Volkssouveränität beruhenden Parlamentarismus, d.h. die ge-
samte Staatsgewalt ist in dem Oberhaupt des Staates vereinigt geblieben; der
Landesherr ist der Träger der einheitlichen Staatsgewalt; alle Rechte, welche
ihm vor der Verfassung zugestanden haben, sind ihm insoweit verblieben, als
ihre Ausübung nicht durch die Verfassung und Landesgesetzgebung beschränkt
worden ist. Der Landesherr hat nicht sein Monarchenrecht erst durch die Ver-
fassung erhalten, sondern er hat vielmehr die Verfassung dem Lande verliehen
und sich dadurch selbst beschränkt. Durch die Entwicklung des modernen
Staates zu einem organisierten Gemeinwesen, zu einer Person des öffentlichen
Rechtes hat sich aber das Verhältnis des Monarchen zum Staat allerdings wesent-
lich verändert; er ist nicht mehr wie im sog. patrimonialen oder feudalen Staat
der Eigentümer und Lehnsbesitzer der Territorien, Herrschaften, Schlösser
und Güter, aus denen sich das landesherrliche Gebiet zusammensetzte; er steht
nicht mehr über dem Staate als der Herr, dem Land und Leute gehörten nach
Art eines privatrechtlichen Besitzrechts (dominium eminens), sondern er steht
innerhalb des Staates und seiner Rechtsordnung; er ist das Haupt des Staates,
ein Organ des staatlichen Gemeinwesens. Diese Veränderung ist aber nicht
die Folge der Einführung der konstitutionellen Verfassungsform und durch sie
nicht bedingt, sondern hat sich schon viel früher im absoluten Staat vollzogen
oder vorbereitet; besonders in Preußen.
Dem Landesherrn ist zur Seite gestellt ein Landtag, dessen historische
Wurzeln weit hinauf reichen in längst vergangene Zeiten, der aber ebenfalls
seinen rechtlichen Charakter geändert hat und aus einer Einrichtung zur Geltend-
Einführung des
konstitutionellen
Systems.