394 GERHARD ANSCHCTZ: Verwaltungsrecht.
Betreffs der persönlichen Unabhängigkeitsgarantien der Mitglieder der Ver-
waltungsgerichte ist zu unterscheiden. Verwaltungsrichter im Hauptamt sind
nur die Mitglieder der obersten Instanz, der Oberverwaltungsgerichte (Ver-
waltungsgerichtshöfe); nur diese genießen überall das volle Ausmaß richter-
licher Unabhängigkeit: mustergültig insbesondere die Bestimmungen des
preußischen Rechtes, wonach die Mitglieder des Oberverwaltungsgerichts nur
unter denselben Voraussetzungen wie die Mitglieder des Reichsgerichts (vgl. GVG.
$ 128) durch Plenarbeschluß des Gerichtshofes ihres Amtes und Gehaltes für
verlustig erklärt werden können. Die Verwaltungsrichter der Unterinstanzen
dagegen sind, soweit überhaupt Beamte, Verwaltungs- und nicht richterliche
Beamte; Dienstpragmatik und Disziplinarrecht der Richter gelten für sie im
allgemeinen nicht, ausgenommen hiervon sind nur die Verwaltungsgerichts-
direktoren und zweiten ernannten Mitglieder der preußischen Bezirksausschüsse,
welche nach ausdrücklicher Vorschrift des Gesetzes vom König auf Lebenszeit
angestellt werden, wider ihren Willen nicht versetzt werden können und dem
richterlichen Disziplinarrecht unterliegen. Endlich versteht sich die rechtliche
Unabhängigkeit der unbeamteten oder sog. Laienmitglieder der Verwaltungs-
gerichte von selbst; denn, da diese Personen der Hierarchie des Staatsdienstes
nicht eingegliedert sind, haben sie auch keinen Dienstvorgesetzten und sind
nicht in der Lage, von einem solchen Befehle zu empfangen. Eine Beteiligung
von Laien an der Verwaltungsgerichtsbarkeit findet freilich nicht in allen Staaten
statt: sie ist eingeführt in Preußen, Baden, Hessen und den Kleinstaaten,
während die bayerischen, sächsischen, württembergischen Verwaltungsgerichte
lediglich mit Berufsbeamten besetzt sind. Die erste Staatengruppe hat sich bei
Bejahung der Frage der Laienbeteiligung von ähnlichen Beweggründen leiten
lassen, welche für die Einführung unbeamteter Elemente in den Verwaltungs-
organismus überhaupt (Selbstverwaltung im politischen Sinne) und andererseits
für die Aufnahme des Schöffentums und der Geschworenenbank in die Gerichts-
verfassung maßgebend waren: alle diese, der weiteren Durchführung des kon-
stitutionellen Staatsgedankens dienenden Einrichtungen sollen die Vertrauens-
würdigkeit von Rechtspflege und Verwaltung erhöhen, die Staatsregierung
und das berufsmäßige Beamtentum von Verantwortlichkeit entlasten, sollen
Staat und Staatsgewalt volkstümlich machen. Demgegenüber hat in jenen an-
deren,. das Schöffentum in der Verwaltungsgerichtsbarkeit ablehnenden Staaten
die Erwägung gesiegt, daß eine Beamtenverwaltung technisch besser und
schneller arbeite wie eine Laienverwaltung, daß man den Bürger nicht mit
öffentlichen Dienstpflichten überhäufen dürfe und namentlich mit solchen
Ämtern verschonen müsse, denen er, in Ermangelung der erforderlichen Sach-
und Rechtskenntnis, nicht gewachsen sei. Übrigens ist doch auch in Preußen,
Baden und Hessen das Gewicht dieser Gründe insofern durchschlagend ge-
wesen, als für die Formation des obersten Verwaltungsgerichtshofes die Laien-
beteiligung niemals in Frage gekommen ist. In der Tat gehören Laien dort nicht
hin. Wo es sich, wie dies bei der Tätigkeit oberster Gerichtshöfe überwiegend
der Fall, nicht um Tat-, sondern um reine Rechtsfragen handelt, da ist für den