Full text: Die Kultur der Gegenwart. Band 2.8. Systematische Rechtswissenschaft. (8)

a. Bayern. 
396 GERHARD ANSCHOTZ: Verwaltungsrecht. 
1884—1889 die Verwaltungsgerichtsbarkeitseinrichtungen auf die westlichen 
und neuen Provinzen, sowie auf die Provinz Posen, wo sie bis dahin noch nicht 
galten, eingeführt, so daß die abschließende Gestaltung der Dinge, LVG. und 
ZG. von 1883, seit 1890 das ganze Staatsgebiet als einheitliches Recht beherrscht. 
Die organisatorischen Bestimmungen dieses Rechtes sind in großen Grundzügen 
folgende. 
Die Verwaltungsgerichtsbarkeit wird ausgeübt durch die Kreisausschüsse (an 
deren Stelle mit gewissen Maßgaben in den Stadtkreisen Stadtausschüsse und in 
größeren kreisangehörigen Städten die kollegialen Gemeindevorstände [Magi- 
strate] treten), die Bezirksausschüsse und das Oberverwaltungsgericht. Die Zu- 
sammensetzung des Kreisausschusses ist unverändert wie nach der Kreisordnung 
von 1872 (s. oben); der Bezirksausschuß besteht aus dem Regierungspräsidenten, 
zwei anderen, vom König auf Lebenszeit ernannten Beamten (einer muß zum 
höheren Verwaltungsdienst, der andere zum Richteramt befähigt sein) und vier 
vom Provinzialausschuß auf 6 Jahre gewählten Laienmitgliedern, das Oberverwal- 
tungsgericht ist ausschließlich mit Berufsbeamten besetzt, indem sein Präsident, 
seine Senatspräsidenten und Räte vom König auf den Vorschlag des Staatsmini- 
steriums auf Lebenszeit ernannt werden: die ein Hälfte der Mitglieder muß zum 
höheren Verwaltungsdienst, die andere zum Richteramt befähigt sein. Sämtliche 
Mitglieder des Oberverwaltungsgerichts sind im Hauptamt angestellt, die Ver- 
leihung einer Mitgliedsstelle als Nebenamt ist unzulässig. Die Verwendung von 
Hilfsrichtern bei dem Oberverwaltungsgericht ist, behufs Entlastung des Ge- 
richtshofes, erst durch das Gesetz vom 28. Juni 1911 (preuß. GS. I91I 
S. 81), jedoch nur bis zum ı. Oktober 1914 gestattet. Die Hilfsrichter sind den 
ernannten Mitgliedern der Bezirksausschüsse oder dem ordentlichen Richter- 
personal zu entnehmen. — Das Oberverwaltungsgericht kann durch die oberste 
Staatsbehörde — das Staatsministerium — in Senate eingeteilt werden. Ur- 
sprünglich nur aus einem einzigen Senate bestehend ist es gegenwärtig in neun 
Senate gegliedert. Die Senate entscheiden regelmäßig in der Besetzung mit 
fünf Mitgliedern. 
Die Kreisausschüsse erkennen stets in erster, die Bezirksausschüsse teils 
in erster, teils, als Berufungsgerichte der Kreisausschüsse, in zweiter Instanz. 
Das Oberverwaltungsgericht ist zumeist Revisionsinstanz gegenüber den Be- 
zirksausschüssen, bisweilen aber auch Berufungsgericht der letzteren als erster 
Instanz, endlich in gewissen Fällen Verwaltungsgericht erster und letzter Instanz. 
In Bayern sind die Unterinstanzen der Verwaltungsgerichtsbarkeit die 
Unter- und Mittelstellen der allgemeinen Staatsverwaltung, also die Distrikts- 
verwaltungsbehörden: Bezirksämter und Magistrate der unmittelbaren Städte 
und die Kreisregierungen. Besondere organisatorische Vorschriften für diese 
Behörden in ihrer Eigenschaft als Verwaltungsgerichte bestehen nur insofern, 
als die Stadtmagistrate in besonderen Senaten entscheiden können, die Kreis- 
regierungen so entscheiden müssen: bei den Kreisregierungen, Kammern des 
Innern und der Finanzen, werden für die Verwaltungsgerichtsbarkeit besondere 
Senate gebildet, die einschließlich des Vorsitzenden aus drei Mitgliedern be-
	        
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