Full text: Die Kultur der Gegenwart. Band 2.8. Systematische Rechtswissenschaft. (8)

I. Justiz u.Verwaltg. B. Die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Verwaltungsrechtspflege). 397 
stehen. Eine Beteiligung von Laienelementen bei der Verwaltungsgerichts- 
barkeit kennt die bayerische Gesetzgebung auch in den Unterinstanzen nicht. 
Die Oberinstanz bildet der Verwaltungsgerichtshof — teils dritte, teils zweite, 
teils erste und einzige Instanz —, dessen Präsident, Direktoren und Räte auf 
Lebenszeit und mit den Garantien der Richter aus den zum Richteramt Be- 
fähigten ernannt werden. Bei dem Verwaltungsgerichthof besteht eine Staats- 
anwaltschaft. Alles dieses, sowie Zuständigkeit und Verfahren, ist grundlegend 
geordnet durch das Gesetz vom 8. August 1878. 
Württemberg (Gesetz vom 16. Dezember 1876) läßt als erste Instanz 
in sog. Parteistreitigkeiten des öffentlichen Rechtes die Kreisregierungen (besetzt 
mit drei Mitgliedern, ohne Laienbeteiligung, wie in Bayern) entscheiden; der 
Rechtszug geht alsdann an den Verwaltungsgerichtshof, welcher im übrigen 
erste und letzte Verwaltungsgerichtsinstanz ist. Die Mitglieder des Verwal- 
tungsgerichtshofes werden teils lebenslänglich im Hauptamt, teils nebenamt- 
lich, im letzteren Falle auf die Dauer ihres Hauptamtes angestellt. Die neben- 
amtlichen Mitglieder werden teils (in der Beschränkung auf zwei) den vor- 
tragenden Räten beim: Staatsministerium, teils den Mitgliedern des Ober- 
landesgerichtes, teils noch anderen Beamtenkategorien (z. B. den Professoren 
der Landesuniversität) entnommen. 
In Sachsen ist die Verwaltungsgerichtsbarkeit erst durch das Gesetz vom 
19. Juli 1900 eingeführt worden; im ganzen in ziemlich enger Anlehnung an die 
bayerischen, namentlich aber die württembergischen Einrichtungen. Wie die 
beiden süddeutschen Königreiche, so lehnt auch Sachsen den Gedanken der 
Laienbeteiligung bei der Verwaltungsgerichtsbarkeit ab: nicht den im Jahre 1873 
geschaffenen Laienbehörden, den Bezirks- und Kreisausschüssen, sondern den 
(den bayrisch-württembergischen Kreisregierungen entsprechenden) Kreis- 
hauptmannschaften ist die Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz übertragen 
worden, so zwar, daß diese ordentlichen Mittelstellen der allgemeinen Staats- 
verwaltung als Verwaltungsgerichte eine ihnen sonst fremde kollegialische For- 
mation annehmen: Kreishauptmann und zwei der ihm beigegebenen Beamten. 
Als Oberinstanz über den Kreishauptmannschaften und in den Fällen der sog. 
Anfechtungsklage als Gerichtshof erster und letzter Instanz fungiert das Ober- 
verwaltungsgericht. 
War das Königreich Sachsen der letzte, so ist das Großherzogtum Baden 
der erste unter den größeren deutschen Staaten gewesen, welcher sich zur Ein- 
führung der Verwaltungsgerichtsbarkeit entschlossen hat: Badisches Gesetz 
über die Organisation der inneren Verwaltung vom 5. Oktober 1863 (wesentlich 
geändert und verbessert durch die Gesetze vom 24. Februar 1880, den Ver- 
waltungsgerichtshof betreffend, und vom 14. Juni 1884, die Verwaltungsrechts- 
pflege betreffend). Verwaltungsgerichte sind die Bezirksräte und der Ver- 
waltungsgerichtshof. Der Bezirksrat besteht unter dem Vorsitz des Bezirks- 
beamten aus „6—9 durch Kenntnisse, Tüchtigkeit und Gemeinsinn ausge- 
zeichneten Bewohnern des Amtsbezirks‘‘, welche vom Ministerium des Innern 
auf Vorschlag der Kreisversammlung ernannt werden. Der Verwaltungsge- 
3. Württemberg. 
4. Sachsen. 
s. Baden.
	        
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