Full text: Die Kultur der Gegenwart. Band 2.8. Systematische Rechtswissenschaft. (8)

I. Justiz u. Verwaltg. B. Die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Verwaltungsrechtspflege). 403 
nicht: — alles keine Rechtsfragen oder doch nicht notwendig solche und meistens 
keine. Der Satz des bayerischen, württembergischen, badischen Rechtes, daß 
die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte da aufhört, wo das freie Ermessen 
der Verwaltung anfängt, gilt in der wichtigsten deutschen Landesgesetzgebung, 
der preußischen, nicht, jedenfalls nicht grundsätzlich. 
4. Das Verwaltungsstreitverfahren. Das von den Verwaltungs- Verwaltung- 
gerichten bei der Erledigung der Verwaltungsstreitsachen zu beobachtende Ver- ""  Mozß. 
fahren — Verwaltungsstreitverfahren — ist durch die Landesgesetze 
über die Verwaltungsgerichtsbarkeit meist ziemlich eingehend geregelt und er- 
scheint in seiner Struktur wie in vielen Einzelheiten als eine dem Zivilprozeß 
nachgebildete Verfahrensart. Die Nachbildung ist freilich weit entfernt keine 
einfache und vorbehaltlose Kopie, vielmehr hat der Umstand, daß es sich bei 
der Verwaltungsgerichtsbarkeit nicht um privatrechtliche, der Disposition des 
Inhabers anheimgegebene Ansprüche, sondern um öffentliche Angelegenheiten 
handelt, welche ohne Rücksicht auf das Belieben der Partei dem Gesetze und 
dem öffentlichen Interesse gemäß zu entscheiden sind, den Gesetzgeber veranlaßt, 
in wesentlichen Punkten von dem Vorbild abzuweichen. Die materielle Ver- 
schiedenheit der hierher und dorthin, vor die Verwaltungs- und vor die Zivil- 
gerichte gehörigen Rechtsverhältnisse ist auch in Betracht zu ziehen, wenn 
gefragt wird, inwieweit Lücken in den Verfahrensvorschriften der Verwaltungs- 
gerichtsgesetze durch analoge Anwendung der Reichszivilprozeßordnung aus- 
gefüllt werden können. Solche Analogie ist nicht von vornherein und unbedingt, 
insofern aber jedenfalls ausgeschlossen, als es sich um Einrichtungen und Be- 
stimmungen der ZPO handelt, welche durch den privatrechtlich-dispositiven 
Charakter der im ZivilprozeßB zum Austrage gelangenden Streitverhältnisse 
bedingt und spezifisch bestimmt sind. Rechtsinstitute wie die Vereinbarung 
über den Gerichtsstand, Streiterledigung durch Vergleich, Verzicht, Anerkenntnis 
Versäumnisurteil, Parteieid sind aus diesem Grunde der analogen Anwendung 
im Verwaltungsstreitverfahren unfähig. Eine direkte Anwendung der ZPO 
durch die Verwaltungsgerichte findet natürlich nur insoweit statt, als die Gesetze 
dies ausdrücklich vorschreiben, wie z. B. hinsichtlich der Ablehnung und Aus- 
schließung der Gerichtspersonen (Preuß. LVG. 8 61). 
Jeder Rechtsstreit, mithin auch jede Verwaltungsstreitsache, setzt Par- Die Parteien 
teien im materiellen Sinne dieses Wortes voraus: den Kläger, der behauptet I, mu..8* 
und den Beklagten, der widerspricht. Es ist dies nichts anderes als die triviale 
Wahrheit, daß zum Streiten zwei gehören. Eine andere Frage ist die, ob dieser 
Gegensatz der Zwei auch formell, prozessual zum Ausdruck gelange oder gelangen 
müsse. In dieser Beziehung verhalten sich die deutschen Gesetze verschieden. 
Folgerichtig durchgeführt ist der Grundsatz, daß es in jedem Verwaltungsprozeß 
einen Kläger und einen Beklagten geben muß, in der preußischen, auch in der 
badischen Gesetzgebung. Es gehört in Preußen zu den Erfordernissen der ver- 
waltungsgerichtlichen Klage, daß sie ‚‚die Personen des Beklagten genau be- 
zeichnet‘‘ (LVG. 8 63); die Fälle, wo die Klage sich gegen die Anordnung oder 
Verfügung einer Staatsbehörde richtet, sind hiervon keineswegs ausgenommen, 
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