Die
Verwaltungs
gerichte.
4Io GERHARD ANSCHOTZ: Verwaltungsrecht.
die Verfügungs- und Zwangsgewalt der Verwaltung, ist nach Abschluß der
Revolutionszeit durch Napoleon die Verwaltungsgerichtsbarkeit (le conten-
tieux administratif, la justice administrative) in Frankreich eingeführt worden.
Es geschah das in einem Werke mit dem Neuaufbau der gesamten Verwaltungs-
organisation, durch das sog. Pluviösegesetz (loi sur la division du territoire et
sur l’administration), vom 28 pluviöse VIII (17. Februar 1800), welches in un-
veränderter Fortgeltung aller wesentlichen Punkte seines Inhalts, bis auf den
heutigen Tag die Grundlage der Organisation sowohl der reinen Verwaltung wie
der Verwaltungsgerichtsbarkeit bildet.
Der große Gedanke dieses Gesetzes ist die Trennung von reiner und streit-
entscheidender Verwaltung (administration pure und contentieux) durch Über-
tragung der beiden Funktionen an besondere Organe, der ersteren an ein streng
hierarchisch gegliedertes System von Einzelbeamten (Minister, Präfekten,
Unterpräfekten, Maires), der letzteren an Kollegien, welche indes nicht aus dem
Verwaltungsorganismus hinausverlegt sind, vielmehr innerhalb desselben, als
ein Stück und Teil von ihm, ihren Platz einnehmen. So bedeutet die Verwaltungs-
gerichtsbarkeit in Frankreich seit Anbeginn ihres Bestehens nichts anderes als
was sie heute in Deutschland darstellt: die Kontrolle der Verwaltung nicht durch
eine ihr fremde, sondern durch eine ihr immanente Macht, durch besondere,
gerichtsähnlich formierte und prozedierende Verwaltungsorgane.
Die wesentlichen Hauptorgane der französischen Verwaltungsgerichts-
barkeit, die ordentlichen Verwaltungsgerichte in diesem Sinne (gewisse Spezial-
behörden mit verwaltungsgerichtlichen Attributionen bleiben hier außer Be-
tracht) sind seit 1800 und heute die Präfekturräte, conseils de prefecture, und
der Staatsrat, le Conseil d’Etat, jene stets in erster, dieser stets in letzter, teils
in zweiter und letzter, teils in erster und letzter Instanz entscheidend. Beiden
Stufen ist gemeinsam die kollegialische Formation und ein von der Instruktions-
maxime beherrschtes, im übrigen einem vereinfachten Zivilprozesse gleichendes
Streitverfahren mit Urteilsfällung nach mündlicher und öffentlicher Verhandlung
und Anhörung eines Vertreters des Staatsinteresses (ministere public). Auf
beiden Stufen kommt der enge und nahe Zusammenhang mit der reinen Ver-
waltung zum Ausdruck: auf der unteren darin, daß der Verwaltungschef des
Departements, der Präfekt, von Gesetzes wegen Vorsitzender des Präfekturrates
(wenngleich zur Führung des Vorsitzes nicht verpflichtet) ist, sowie darin, daß
der Präfekturrat als Kollegium und seine einzelnen Mitglieder (conseillers de
prefecture), ersteres als begutachtende und beschließende Behörde, letztere als
Vertreter und Gehilfen des Präfekten, bei der administration pure des Departe-
ments stark beschäftigt sind; in der Zentralinstanz darin, daß der Conseil d’Etat,
wie sein Name besagt, nicht sowohl Oberverwaltungsgericht, sondern vor allem
Staatsrat ist: eine oberste, das Staatsoberhaupt und die Regierung beratende
Behörde mit ausgedehnter, konsultativer aber faktisch sehr schwerwiegender
Zuständigkeit auf allen Gebieten der staatlichen Verwaltungsgeschäfte und gesetz-
geberischen Arbeiten. Diese organische Verbindung von Verwaltung und Ver-
waltungsgerichtsbarkeit auch in der obersten Spitze der letzteren zeigt eine