Full text: Die Kultur der Gegenwart. Band 2.8. Systematische Rechtswissenschaft. (8)

4I4 GERHARD ANSCHOTZ: Verwaltungsrecht. 
waltungswegs durch Anähnlichung an die Formen von Gericht und Prozeß in 
England der Gegenstand, also auch das Bedürfnis fehlt. 
malt geichte Auch sonst waren und sind dort die staatsrechtlichen Zustände nicht vor- 
barkeit. handen, welche bei uns die Verwaltungsgerichtsbarkeit, erst als Problem, dann 
als Institution hervortrieben. Unsere Verwaltungsgerichtsbarkeit bildet, wie 
oben gezeigt, ein Gegengewicht wider die Übermacht der Verwaltung (genauer: 
der Verwaltungshierarchie, der Ministerverwaltung) im Staat, ihrerseits eine 
Folge der Abschließung der Verwaltung gegenüber den anderen Staatsfunktionen. 
Eines solchen ausgleichenden Faktors bedarf England nicht, denn jenes Über- 
gewicht der Verwaltung ist weder vorhanden noch zu befürchten; man ist in 
der Trennung der Gewalten dort nie auch nur entfernt so weit gegangen wie in 
Deutschland oder gar in Frankreich. Soweit die Verwaltung überhaupt ver- 
selbständigt und nicht dem Gesetzgeber (d.h. dem Parlament) vorbehalten 
oder dem Richter übertragen ist, erscheint sie, namentlich als innere und Finanz- 
verwaltung, nicht eigentlich als ‚„‚Obrigkeit‘‘, sondern als Partei, die nicht mit 
dem Richter, sondern mit dem Privatmann wie gleich und gleich steht. 
Zunächst wird die Verwaltung in einem praktischen Umfange, von dem 
man sich auf dem Kontinent meist auch keine annähernd richtige Vorstellung 
macht (vgl. die aufklärende Darstellung bei Redlich, Engl. Lokalverwaltung 
S. 682ff.), von dem Gesetzgeber selbst, materiell also durch Parlamentsbeschlüsse 
im Wege der Private Bill Legislation geführt und geleitet. Insoweit ist für irgend 
etwas der Verwaltungsgerichtsbarkeit Ähnliches kein Raum. 
Friedensrichter. Auf den unteren und mittleren Stufen der Staatsorganisation bestand bis 
in die Neuzeit — nämlich in den Städten bis zur Städteordnung von 1835 und 
in den Grafschaften bis zur Local Government Act von 1888 — völlige Einheit 
von Justiz und Verwaltung, wobei nicht das administrative, sondern das richter- 
liche Wesen Einrichtungen und Verfahren bestimmte. Träger dieser Einheit 
war das Amt der Friedensrichter, welche, unvergleichbar mit allen auf dem 
Kontinent vorkommenden Organtypen, als ehrenamtliche, von der Krone aus 
den notabeln Grundbesitzern des Landes ernannte Obrigkeiten seit dem späteren 
Mittelalter bis gegen Ende des 19. Jahrhunderts das englische Local Government 
ausschließlich beherrschten, in ungetrennter Handhabung von Gerichtsbarkeit 
und Verwaltung. Die friedensrichterliche Justiz war und ist — denn hierin ist 
den Friedensrichtern nichts genommen worden — hauptsächlich Strafjustiz, 
weniger Zivilrechtspflege: die letztere konzentrierte sich früher fast ganz bei 
den obersten Reichsgerichten und liegt auch heute noch wesentlich bei diesen; 
die Schaffung von Grafschaftsgerichten, county courts (seit 1846) für kleine und 
mittlere Zivilsachen hat mit dem System der friedensrichterlichen Behörden 
nichts zu tun. Die Verwaltungskompetenz der Friedensrichter erstreckte sich, 
der mittelalterlichen Beschränktheit des administrativen Wirkungskreises ent- 
sprechend, jahrhundertelang wesentlich nur auf die Friedensbewahrung, also 
auf die Polizei; später erst wuchsen diesem Amtsorganismus kraft besonderer 
Gesetze auch andersartige Verwaltungstätigkeiten, auf dem Gebiete der Wohl- 
fahrtspflege und des Finanzwesens zu, in den Grafschaften insbesondere die
	        
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