Full text: Die Kultur der Gegenwart. Band 2.8. Systematische Rechtswissenschaft. (8)

424 EDMUND BERNATZIK: Verwaltungsrecht. 
Verwandtschaft ]ichen Tätigkeiten sondern sich nach Zwecken oder Angelegenheiten, und 
von Polizei und 
Kulturpfiege. 
Heutige Bedeu- 
tung des Wortes 
Polizei. 
es gibt deren wenige, die nicht sowohl durch pflegliche als durch polizei- 
liche Tätigkeit besorgt werden müssen. Beispielsweise ist Beschaffung guten 
Trinkwassers Sanitätspflege, Beseitigung schädlichen Trinkwassers Sanitäts- 
polizei. Rechtlich macht dies zwar einen großen Unterschied. Aber es 
wäre unmöglich, in einer Darstellung des Sanitätswesens beide Gesichts- 
punkte zu trennen. Dazu kommt noch folgender, sehr wichtiger Umstand. 
Wie später hervorgehoben werden wird, bilden öffentliche Anstalten und 
Sachen die wichtigsten Mittel der Kulturpflege des Staates. Aus den Zeiten 
des Polizeistaates ist nun auf die heutige Polizei als eine ihrer wesent- 
lichsten Aufgaben der Schutz und die Erhaltung dieser Anstalten 
und Sachen übergegangen. Es ist klar, wie sich auch aus diesem Grunde 
Kulturpflege und Polizei miteinander verquicken müssen. Den Bau von Eisen- 
bahnen oder Telegraphen müssen wir zur Kulturpflege rechnen, der Polizei 
fällt es zu, jede Beeinträchtigung der Funktionen dieser Anstalten zu hindern. 
Man könnte aber das Eisenbahn- und Telegraphenwesen nicht befriedigend 
darstellen, ohne die pflegliche und die polizeiliche Seite der betreffenden Ma- 
terie miteinander zu verbinden. Auch in der Praxis sind die Kompetenzen 
mannigfach vermischt. Man sieht, die Scheidung von Polizei- und Kulturpflege 
läßt sich weder in Theorie noch in der Praxis rein durchführen. Man kann 
daher zwar ein allgemeines Polizeirecht absondern; die speziellen Gebiete des 
Polizeirechts aber (Sanitäts-, Bau-, Eisenbahn-, Berg-, Flurenpolizei usw.) 
kann man nicht gut ohne die dazu gehörigen Stücke der Kulturpflege behan- 
deln. Nach diesen Gesichtspunkten wird im folgenden verfahren werden. 
Es ist nun vor allem unsere Aufgabe, zurückkehrend zu unserem Aus- 
gangspunkte, genauer zu bestimmen, was man heute unter Polizei versteht. 
Sehen wir hierbei ganz ab von der eben erwähnten Funktion der Polizei, 
die öffentlichen Anstalten und Sachen zu schützen, so glauben wir im Ein- 
klang mit dem heute am meisten verbreiteten Sprachgebrauch zu sein, wenn 
wir von Polizei nur dort reden, wo ein Zwang geübt oder doch mindestens in 
Aussicht gestellt ist. Eine Zeitlang wollten manche noch weiter gehen und 
jeden staatlichen Zwang Polizei nennen. Man kam damit zu einer „Militär- 
polizei‘‘, einer „Finanzpolizei'‘ usw. Diese Tendenz ist heute aufgegeben. 
Den Zollwächter, Steuerexekutor, Gefangenenaufseher nennen wir heute nicht 
mehr Polizeimann. Von Polizei sprechen wir gegenwärtig nur auf dem Gebiete 
der inneren Verwaltung. (Dies Wort im weiteren Sinne genommen, nach 
welchem dazu alles gehört was nicht Auswärtiges, Militärwesen, Justiz, Finan- 
zen betrifft.) Aber selbst nicht jeden auf diesem Gebiete geübten oder an- 
gedrohten Zwang nennen wir Polizei. Niemand nennt heute den Zwang zu 
statistischen Angaben, zum Schulbesuch, zur Arbeiterversicherung, zur Boden- 
expropriation, zur Annahme von Ehrenämtern ‚Polizeizwang‘‘. Vielmehr dür- 
fen wir wohl feststellen, daß die übliche Ausdrucksweise unter Polizei nur 
jenen Zwang auf dem Gebiete der inneren Verwaltung versteht, der da ge- 
übt oder angedroht wird zur Abwendung von Gefahren oder Störungen
	        
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