Full text: Die Kultur der Gegenwart. Band 2.8. Systematische Rechtswissenschaft. (8)

verordnung und 
Verfügung. 
Polizeierlaubnis. 
Polizeistrafe. 
428 EDMUND BERNATZIK: Verwaltungsrecht. 
der Unterstellung der polizeilichen Zwangstätigkeit unter richterliche Rechts- 
kontrollen. Das erste Institut dieser Art, das vorbildlich für ganz Europa ge- 
worden ist, war die berühmte ‚„Habeas Corpus-Akte‘‘ in England 1679, welche 
sich zunächst bemühte, Schutz gegen willkürliche Verhaftungen zu schaffen, 
später aber in mannigfaltiger Weise auf den Schutz anderer individueller 
Rechtsgüter ausgedehnt wurde. Wo man seither ‚Verwaltungsgerichte‘‘ oder 
doch eine gerichtsähnliche Rechtsprechung in Verwaltungssachen (,‚contentieux 
administratif‘‘) eingeführt hat, bilden gewisse Stücke der Polizeigewalt wich- 
tige Bestandteile der Aufgaben dieser Sonderorganisationen. 
ll. Die Rechtsformen der polizeilichen Tätigkeit. Überblicken 
wir nunniehr die Rechtsformen der polizeilichen Tätigkeit, so können wir neben 
der praktisch sehr wichtigen, aber sich nicht in Rechtsformen abspielenden 
Überwachungstätigkeit folgende fünf unterscheiden: die Polizeiverordnung, 
die Polizeiverfügung, die Polizeierlaubnis, die Polizeistrafe, den Polizeizwang. 
Die Polizeiverordnung ist eine abstrakte Norm, die von den Polizeibehörden 
ausgeht. Die Polizeiverfügung ist dagegen ein Ge- oder Verbot einer Polizei- 
behörde im individuellen Falle. Daneben hat sich in einer großen Zahl von 
Fällen, die früher übrigens noch häufiger waren, das Bedürfnis gezeigt, auch 
ein solches Verhalten, welches an sich nicht gefährdend zu sein braucht, aber 
es unter Umständen doch werden kann, der Ingerenz der Polizei zu unter- 
stellen. Dies geschieht, indem man ein solches Verhalten generell verbietet, 
aber dabei der Polizeibehörde die Befugnis vorbehält, es unter gewissen Vor- 
aussetzungen und Kontrollen zu erlauben, welche letztere dann wieder mehr 
oder weniger genau normmäßig bestimmt sein können. Ein solches allgemeines 
Verbot kann in den meisten Staaten nur durch Gesetz oder auf Grund von 
Gesetzen erlassen werden; aber auch der Erlaubnis-Vorbehalt bedarf des 
Gesetzes, da die Polizeibehörde sonst das Recht hätte, von der Befolgung des 
Gesetzes zu dispensieren. Die Erlaubnis ist dann eine besondere Art der 
Polizeiverfügung, und ihre rechtliche Funktion besteht darin, die natürliche 
Handlungsfreiheit, die ohne das Verbotsgesetz bestände, wieder herzustellen. 
Selbstverständlich kann sich die polizeiliche Tätigkeit auf bloßes Be- 
fehlen, Verbieten, Erlauben nicht beschränken. Es muß die Möglichkeit dazu 
treten, den beabsichtigten Erfolg zu erzwingen. Der Zwang kann bestehen 
in der Polizeistrafe und in der direkten Gewaltanwendung. Das Recht, diese 
letztere zu gebrauchen, liegt in der Natur der Polizei, während es bezüglich 
der ersteren sehr bestreitbar und bestritten ist, ob der Polizei eine Strafgewalt 
zustehen soll. Allerdings ist die Polizeistrafe etwas anderes als die „eigent- 
liche‘‘ oder ‚kriminelle‘ Strafe (über diesen Unterschied existiert eine große, 
aber wenig ergiebige Literatur); aber sie ist doch eine ‚‚Strafe‘‘, die anzudrohen 
nur Gesetze, und die zu verhängen nach den heute herrschenden Anschauungen 
nur unparteiische Gerichte berufen sein sollen. Diesem Gedanken entsprechend 
hat man in England vorlängst, dann in der Revolution in Frankreich und ander- 
wärts das Prinzip aufgestellt, daß zur Sicherung polizeilicher Zwecke abstrakte
	        
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