430 ‚EDMUND BERNATZIK: Verwaltungsrecht.
Auch dieser Zwang hat scine Formen: Die „Ersatzausführung‘‘', wobei der
von der Behörde angestrebte Zustand, falls es tunlich ist, von ihr selbst auf
Kosten der Partei herbeigeführt wird; dann die ‚„Exekutivstrafe‘‘, welche
den Erfolg indirekt durch Strafübel erzwingt, ähnlichen Normen unterliegt,
wie die Polizeistrafe und häufig mit ihr identifiziert wird; endlich der direkte
Zwang durch unmittelbare Gewaltanwendung. Erweist sich diese letztere als
fruchtlos oder unanwendbar, so tritt Zufügung anderweitiger Übel, insbesondere
Waffengewalt ein, zu der, falls die Kräfte der Polizeibehörden nicht ausreichen,
das Heer requiriert wird. Selbstverständlich muß die Ermächtigung zum
Gebrauch solcher Zwangsmittel in Gesetzen gegeben sein. Alle Staaten haben
nach französischem Muster zur Handhabung der polizeilichen Waffengewalt
ein besonders ausgerüstetes militärisch organisiertes Exekutivpersonal (Gen-
darmerie) geschaffen. Vielfach. ist ein ähnliches Exekutivpersonal zur Hand-
habung der Lokalpolizei auch den größeren Gemeinden und sonstigen Konı-
munalverbänden gegeben worden. Durch die Schaffung dieses Exekutiv-
personales ist die Organisation der Polizei im 19. Jahrhundert so sehr vervoll-
kommınet worden, daß angesichts der Aussichtslosigkeit des Widerstandes die
tatsächliche Anwendung der Gewalt etwas Seltenes werden konnte, und ein
„Recht des Widerstandes gegen die Unterdrückung‘, welches noch in den
ersten französischen Verfassungen als ein ‚natürliches Menschenrecht‘‘ an-
erkannt worden war, als mit der Ordnung im Staatsleben unvereinbar, im
19. Jahrhundert überall hinweggefallen ist. Auch hierin liegt ein bedeutsamer
Gegensatz zum mittelalterlichen Staat, in welchem ein solches individuelles
Widerstandsrecht (im Prinzip wenigstens) stets anerkannt worden war.
Ill Die Organisation der Polizeibehörden. Was die Organi-
sation der Polizeigewalt anbetrifft, so ist dieselbe auf dem Kontinent ein
Stück des Ressorts des ‚‚Inneren‘‘, und ihre Handhabung besorgt größtenteils
das Berufsbeamtentum des Staates und der Städte. Das gilt auch vom
Exekutivdienst. Hierin liegt eine wenig beachtete, aber sehr wertvolle kul-
turelle Errungenschaft, welche der Kontinent dem Polizeistaat verdankt. In
England blieben die mittelalterlichen Formen der ehrenamtlichen Gemeinde-
polizei, selbst in den Städten, bis in das vierte Jahrzehnt des Ig. Jahr-
hunderts hinein erhalten. Das hatte dort zur Folge, daß die Sicherheitspolizei
damals nirgends in der Welt so schlecht war wie in England, zumal in London.
Indes hat sich auch auf dem Kontinente die Verstaatlichung des Polizeiwesens
nicht radikal durchführen lassen. Überall hat sich das Bedürfnis heraus-
gestellt, gewisse Gebiete der Polizeigewalt den Selbstverwaltungskörpern, und
zwar den Gemeinden mit mehr oder minder großer Selbständigkeit zu über-
tragen. Es handelt sich hier um solche Gefahren, welche zunächst die Ge-
meinden berühren, und um solche Vorbeugungsmittel, welche durch die eigenen
Organe derselben und auf ihre Kosten angewendet werden können. Auf diese
Weise entsteht der Begriff der ‚‚Lokalpolizei‘‘, im Gegensatz zur „Staatspolizei‘.
Zu ersterer gehört beispielsweise die Markt-Straßen-Flurenpolizei u. dgl., zu