Gebiete der
Kulturpfßege.
Ihre geistige
Einheit.
434 EDMUND BERNATZIK: Verwaltungsrecht.
hat,. eine ungeheure Rolle. Viele freie Vereine verfolgen Zwecke, welche
denen des Staates und der Kommunen verwandt sind. Der heutige Staat
fürchtet ihre Konkurrenz nicht mehr, sondern er benutzt sie, weil er weiß,
daß das freie Vereinswesen Kräfte auslöst, die er sich weder mit Geld noch
mit Bajonetten verschaffen kann. Das freie Vereinswesen ist so eine unent-
behrliche Ergänzung der staatlichen Verwaltungstätigkeit geworden. In welch
großem Maße insbesondere auch öffentliche Anstalten von freien Vereinen
teils mit karitativen, teils mit gewinnsüchtigen Zwecken erhalten werden, sei
nebenbei erwähnt. Vielfach haben sich dabei eigentümliche Vermischungen
von Staats- und Vereinsverwaltung herausgebildet, für welche sich feste Rechts-
formen erst zu bilden beginnen. Dahin gehört Subventionierung, Konzessio-
nierung, Förderung durch Steuerbegünstigungen, Einräumung gewisser obrig-
keitlicher Befugnisse, häufig direkt zur Unterstützung behördlicher Tätigkeit
oder auch unter Angliederung von Vereinsanstalten an Behörden, Teilnahme
der Behörden an der Vereinsverwaltung durch Entsendung von Delegierten
und anderweitige Kontrolle derselben, wie staatliche oder kommunale Rech-
nungskontrolle, öffentliche Rechnungslegung, Gewinnbeteiligung usw. Charak-
teristisch ist dabei, daß sehr häufig Dinge, die anfänglich von der freien Vereins-
tätigkeit besorgt werden, mit der Zeit gänzlich in die der öffentlichen Ver-
waltung übergehen. Aber auch das Umgekehrte kommt vor, eine beständige
Endosmose zwischen Staat, Kommune, Verein. Wir haben im folgenden nur
von staatlicher und kommunaler Tätigkeit zu handeln.
Werfen wir nunmehr einen Blick auf die Kulturpflege des heutigen Staates.
Ihr Gegenstand ist Sprache, Sitte, . Recht, Religion, Kunst, Tech-
nik, Wissenschaft und Bildung, Gesundheit und Wohlstand.
Die Rechtspflege wird in diesem Werke anderwärts erörtert. Wir scheiden sie
daher samt der staatsanwaltschaftlichen und Gefängnisverwaltung von vorn-
herein aus. Bezüglich der übrigen Angelegenheiten dürfen wir zunächst als
grundlegendes Prinzip des öffentlichen Rechtes der Gegenwart den Satz auf-
stellen, daß sich der heutige Staat das Recht zuschreibt, alle diese Gebiete,
und zwar allein nach seinem freien Ermessen zu regeln, zu fördern und zu.
pflegen. Er anerkennt hier nicht mehr ‚‚naturrechtliche‘‘ Schranken weder
gegenüber dem Individuum, noch gegenüber Verbänden irgendwelcher Art,
auch den religiösen nicht. Er allein zieht die Grenzen seiner eigenen Kompe-
tenz (sogenannte ‚Kompetenzhoheit‘‘ des modernen Staates, ein Ausfluß seiner
„souveränität‘‘). Die Pflege der oben bezeichneten Kulturgebiete erfolgt in
sehr verschiedenem Ausmaß. Eigentlich haben sie alle nur ein einziges ge-.
meinsames Pflegemittel, freilich eines von besonders tiefem und nachhaltigem
Einflusse: den Jugendunterricht. Alle Staaten schreiben sich auf Grund
der hier siegreich durchgedrungenen Auffassung der Reformation das Recht
zu, den Jugendunterricht zu erteilen oder doch zu regeln und zu heaufsichtigen.
Im übrigen wechselt das Verhalten der Staaten nicht nur nach den oben
genannten einzelnen Kulturgebieten, sondern es wechselt auch stark von
Nation zu Nation, von Staat zu Staat. Allerdings gleicht .der ungeheuer aus-