Full text: Die Kultur der Gegenwart. Band 2.8. Systematische Rechtswissenschaft. (8)

30 RUDOLF STAMMLER: Wesen des Rechtes und der Rechtswissenschaft. 
wurden — die Verbindung als solche, das Setzen gemeinsamer Zwecke 
durch äußere Regeln einerseits und die zusammenstimmende Tätigkeit 
der Verbundenen anderseits —, als die bedingende Form und die dadurch be- 
dingte Materie des sozialen Lebens zu unterscheiden. 
Die Abhängigkeit der sozialen Wirtschaft von der rechtlichen Regelung 
ist also nur eine logische, und nicht etwa eine zeitliche oder gar kausale. 
Man darf nicht meinen, daß mit der vorhin gegebenen Erörterung die äußere Rege- 
lung als ein zeitlich früher entstandenes Ding gemeint sei, auf das die soziale 
Materie zeitlich später in de Erfahrung eintrete; oder gar: daß das Recht zu- 
erst da sei und nun die Sozialwirtschaft verursache, wie der Blitz den Donner. 
Das würde ein starkes Mißverständnis sein, das sich nur aus einer elementaren 
Verwechselung ‚des logischen Prius‘ mit ‚dem zeitlichen und dem kau- 
salen Prius‘‘' herleiten könnte. 
In Wahrheit stehen sich Recht und Wirtschaft nicht als zwei selb- 
ständige Gegenstände, nach Art von Erscheinungen im Raume, gegenüber, 
sondern bedeuten zwei notwendig verbundene Elemente eines und des- 
selben Gegenstandes. — Das Recht ist nicht ein für sich bestehendes Ding, da 
jeder seiner Sätze unvermeidlich schon auf eine bestimmte Art des Zusammen- 
wirkens abzielt und bei gänzlichem Streichen dieses letzteren überhaupt sinn- und 
inhaltlos werden würde; und man darf darum das Recht in seiner formalen 
Funktion nicht wie ein Gefäß auffassen, in das ein wirtschaftlicher Stoff 
hinterher eingefüllt würde, sondern als logisch bedingendes Element in 
dem Gedanken des sozialen Lebens. Andererseits ist die Sozialwirtschaft 
kein selbständig und besonders existierendes Ding, auf das die rechtliche 
Regelung nun zeitlich später einzuwirken hätte; vielmehr heißt soziale 
Erwägung des Zusammenwirkens eine solche, die es von dem maßgeblichen 
Gesichtspunkte als eines äußerlich geregelten in das Auge faßt, so daß 
weder die Kategorie der Verursachung, noch auch die gelegentlich versuchte 
Bestimmung derWechselwirkung hier in Frage zu kommen vermag. 
Führt man dagegen den Gedanken, daß Rechtsordnung und Sozial- 
wirtschaft als bedingende Form und bestimmbarer Stoff in logischer Be- 
ziehung zu nehmen seien, weiter, so ergeben sich alsbald zwei Ausblicke von 
methodischer Bedeutung. 
Es ist überall möglich, die bedingende Form von Bewußtseinsinhalten 
selbständig für sich zu behandeln. So kann auch vom Recht eine eigene 
wissenschaftliche Betrachtung statthaben, wobei es auf seine besondere Aus- 
führung in einer bestimmten Gesellschaft gar nicht ankommt. Dagegen ist 
die soziale Wirtschaft nur unter der Bedingung einer bestimmten recht- 
lichen Ordnung zu erwägen möglich, und eine eigene Gesetzmäßigkeit der 
sozialwirtschaftlichen Betrachtung für sich gibt es nicht. 
Da schließlich die Abhängigkeit der Sozialwirtschaft von dem Rechte nur 
eine logische ist, also daß jeder Begriff und Lehrsatz der ersteren durch eine 
soziale Regelung logisch bedingt ist, und es keine selbständigen sozial. 
ökonomischen ‚Gesetze‘‘ gibt, so ist doch sehr wohl möglich, daß die besondere
	        
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