Full text: Die Kultur der Gegenwart. Band 2.8. Systematische Rechtswissenschaft. (8)

III. Das internationale Verkehrsgebiet. ı. Das Weltmeer. 487 
pression der Piraterie völkerrechtlich verpflichtet. Und zwar bildet den 
Tatbestand derselben jedes auf Ausübung räuberischer Gewaltakte, auf dem 
Meere oder vom Meere aus, abzielende Unternehmen, insofern ein solches 
nicht gegen einen bestimmten Staat gerichtet ist, sondern sich als die Sicher- 
heit aller Staaten gefährdend darstellt. Das Piratenschiff, welche Flagge es 
auch führen möge, wird als denationalisiert betrachtet. Es unterliegt dem 
Zugriff aller Kriegsflaggen. Auch ist jeder Staat befugt, dessen Mannschaft 
zu strafrechtlicher Aburteilung zu bringen. In Analogie dieser von alters her 
begründeten Zuständigkeiten haben die Mächte vertragsmäßig behufs Ver- 
wirklichung gewisser großer humanitärer und wirtschaftlicher Interessen ihre 
Schiffe, in weitgehendem Entgegenkommen, gegenseitig der Durchsuchung und 
Beschlagnahme durch beauftragte Kriegsschiffe unterworfen. Vorbild ist ge- 
wesen das Regime zur Unterdrückung des afrikanischen Sklavenhandels, 
welches, durch die vom Wiener Kongreß verkündete De£claration des Puissances 
sur l’abolıtion de la traste des negres vom 8. Febrauer 1815 inauguriert, eine welt- 
geschichtliche Bedeutung gewonnen hat. In dem zu deren Durchführung ge- 
knüpften Vertragsnetz steht im Mittelpunkt der sog. Quintupelvertrag vom 
20. Dezember 1841. Die Brüsseler Generalakte vom 2. Juli 1890 hat jenes Re- 
gime zum Abschluß gebracht, jedoch auf einen die Ostküste Afrikas umgebenden 
Meeresteil beschränkt. 
Im Interesse des internationalen Seeverkehrs ist neuerdings eine Reihe 
von speziellen Einrichtungen teils lokaler, teils allgemeiner Geltung vertrags- 
mäßig getroffen worden. Dahin gehören der Haager Vertrag vom 6. Mai 1882 
über die polizeiliche Regelung der Fischerei auf der Nordsee; der Pariser Ver- 
trag vom 14. März 1884 über den Schutz der unterseeischen Telegraphenkabel 
zu Friedenszeiten; der Staatenverein für den Nachrichtenaustausch zwischen 
dem Lande und den Schiffen auf See, wie den Schiffen unter sich, errichtet durch 
den Berliner Radiotelegraphenvertrag vom 3. November 1906; die Überein- 
künfte, die dem Robbenschutz dienen; Verabredungen über Seeschiffahrts- 
zeichen. Dazu kommen mancherlei nach gegenseitiger Verabredung allgemein 
angenommene landesrechtliche Festsetzungen ohne Vertragscharakter: das sorg- 
fältig durchgebildete Straßenrecht zur See; die internationale Signalsprache; 
das gemeinsame System der Schiffsvermessung. 
Die Freiheit des Weltmeeres kommt zu Friedens- wie zu Kriegszeiten allen Die Seestraßen. 
seinen Teilen zugute, auch wenn sie besondere Namen führen; demnach auch 
den sie verbindenden Meerengen. Diese sind internationale Seestraßen, als 
solche jederzeit auch den Kriegsschiffen offen. Sie dürfen niemals gesperrt 
werden, sofern nicht, wie für den Bosporus und die Dardanellen seit 1841 im 
gesamteuropäischen Interesse durch Verträge der führenden Mächte ein Sonder- 
recht eingeführt ist, wonach sie, so lange der Uferstaat, die Türkei, selber sich 
im Friedenszustand befindet, den fremden Kriegsflaggen grundsätzlich ge- 
schlossen wird. 
Doch erleidet der Satz, daß die offene See keinem Staate angehört, eine Das Küstenmeer. 
Einschränkung in seiner Anwendung auf das sog. Küstenmeer, d.h. die dem
	        
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