Die Territorial-
gewässer.
488 FERDINAND voN MARTITZ: Völkerrecht.
Strande parallel laufende Meereszone. An sich freilich steht auch sie als Teil
der Meeresfläche zu Friedens- wie zu Kriegszeiten dem internationalen Schiff-
fahrtsverkehr offen. Die bloße Durchfahrt kann im Frieden nicht versagt
werden. Immerhin spricht das Völkerrecht dem Uferstaat die Befugnis zu,
auch dort seine Hoheit geltend zu machen, da sonst die Grenze schutzlos sein
würde. Und im Kriege teilt das Küstenmeer den feindlichen oder neutralen
Charakter des Landes, Haager Konvention XIII vom 18. Oktober 1907 A. 1—5.
Der Uferstaat ist demnach berechtigt, die Seefahrt in diesem Bereiche seiner
Polizei und Gerichtsbarkeit zu unterstellen, und im Falle des Seekrieges sie zu
beschränken und zu regulieren. Vermöge seiner Hoheit kann der Küstenstaat
auch die Nutzungsrechte daran sich zu ausschließlichem Rechte vorbehalten.
Die äußerste Entfernung, bis zu welcher er die Seegrenze vorschieben darf,
normiert sich nach gemeinem Völkerrecht durch die Kanonenschußweite bei
Niedrigwasserstand; das bedeutet heute, bei unterstellter Treffsicherheit, etwa
5—7 Seemeilen. Durch Verträge ist sie vielfach, aber nur für spezielle Interessen,
auf 3 Seemeilen limitiert worden. Liegt eine Meerenge unter den Kanonen ver-
schiedener Staaten, so gilt die Mittellinie als Seegrenze.
Immer aber hat man vom Küstenmeer die sog. Territorialgewässer (Eigen-
gewässer, das geschlossene Meer) zu unterscheiden, nämlich die sich in das Land-
gebiet ziehenden, durch eine sperrbare Öffnung mit dem Küstenmeer in Ver-
bindung stehenden Wasserflächen; also Baien, Buchten, Haffe, Föhrden, Fjorde,
Häfen, auch Sunde und Lagunen. Sie gehören zum Staatsgebiet. Dasselbe
gilt von Reeden, von Flußmündungen. Als Ausmündung gilt die die äußersten
Uferpunkte verbindende gerade Linie.
2. Die Seeschiffahrt. Da es Pflicht und Recht der Seestaaten ist,
den Schiffen ihrer Angehörigen nicht allein eine Heimat zu gewähren, sondern
sie auch jenseits der Seegrenze ihrem Schutze und ihrer Gewalt zu unterstellen,
so schreibt das Völkerrecht den Seeschiffen einen nationalen Charakter zu. Sie
mit ihren Booten gelten, anders als die zur Binnenschiffahrt bestimmten Fahr-
zeuge, als Pertinenzen ihres Landes, gleichviel wo sie sich befinden. Doch ist
die Rechtsstellung der Seeschiffe verschieden, je nachdem sie Kriegsschiffe
sind oder nicht. Und zwar gelten als Kriegsschiffe nur solche Schiffe, die im
Militärdienst einer Regierung verwendet werden, ihr verantwortliche Führer
und eine militärischer Disziplin unterstellte Besatzung haben, Haager Kon-
vention VII vom 18. Oktober 1907 A. I—4; mögen sie übrigens in fiıskalischem
Eigentum stehen oder nicht. Auf hoher See hat keine Macht die Befugnis,
Schiffe fremder Nationalität anzuhalten, zur Verifikation ihrer Flagge auf-
zufordern, zu durchsuchen, mit Beschlag zu belegen oder sonstige Zwangs-
mittel gegen sie anzuwenden; es sei denn, daß sie kriegführende Partei sei
oder solche Rechte vertragsmäßig zugestanden worden sind. Im fremden Wasser-
gebiete haben Kriegsschiffe, wenn sie zugelassen werden, Exterritorialität zu be-
anspruchen. Dagegen sind alle anderen Seeschiffe, mögen sie dem Erwerb durch
Seeschiffahrt dienen, also Kauffahrteischiffe sein, mögen sie andern Erwerbs-