D. Das positive Recht, III. Die Entstehung des Rechtes. 31
Ausbildung eines bestimmten Zusammenwirkens unter rechtlichen Regeln auf
eine Umgestaltung dieser letzteren von maßgeblichem Einfluß ist. Nur ist
es nicht „die Wirtschaft‘, als ein angeblich eigener Organismus, der von „dem
Rechte‘‘ unabhängig bestände, sondern es ist eben das rechtlich geordnete soziale
Leben selbst, dem gewisse Einflüsse auf Abänderung der es bedingenden Form
entstammen. Das führt alsbald in den Zusammenhang des nun folgenden Themas.
III. Die Entstehung des Rechtes. Diese Frage kann elementar in
doppeltem Sinne verstanden werden: Wie seinerzeit zum erstenmal das Recht
geschaffen und in diese Welt hineingebracht worden sein mag, — und sodann:
In welcher allgemeinen Art und Weise die Veränderungen des Rechtes im Laufe
der Geschichte zusammengefaßt werden können?
Über jenes sind mannigfache Hypothesen aufgestellt worden. Bald meint
man, in der Familie, als dauernder Verbindung von Mann und Weib, das zeitlich
erste Recht zu sehen, bald auch in einem instinktmäßigen Zusammenschluß
von Urmenschen, als geselliger Tiere; mancher sieht den Stifter der rechtlichen
Ordnung in einem ‚‚glücklichen Krieger‘‘ und bestimmt diesen wohl näher als
den Sieger, der den niedergeworfenen Feind nicht tötete, sondern zu seinem
Sklaven erkor; während andere Überlieferung auf göttliche Fügung und An-
ordnung verweist. Dabei muß diese Frage, wenn sie klar sein soll, radikal ge-
nommen werden: sie darf nicht auf inhaltlich unentwickelte ‚recht-
liche‘‘ Zustände vermischend übertragen werden. Wenn man das Stadium
der „Barbarei‘‘ untersucht hat, die der angeblich rechtlosen ‚„Wildheit‘‘ gefolgt
und der ‚Zivilisation‘‘ vorangeschritten sei, so ist in jener der Bestand recht-
licher Regelung schon vorausgesetzt. Der Streit um das Mutterrecht, um
exogame und endogame Stämme, über die Gentilverfassung der Vorzeit und
anderes mehr betrifft schon sozial geregelte Verhältnisse.
In der Tat sind nun alle Hypothesen über das gemeinte erste Auftreten
des Rechtes überhaupt unsicher und nicht zu beweisen. Kein Rückschluß aus
dem Leben nachmaliger Geschlechter leitet zu einem rohen Einzeldasein von
Menschen hinüber; noch auch hat es glücken wöllen, in erkennbaren Zeiten
menschliches Leben außerhalb eines sozialen Bestehens zu entdecken.
Aber auch wenn dem anders wäre, so würde es doch für die Aufgabe von
dem Wesen des Rechtes gleichgültig sein. Diese will in systematischer Be-
stimmung auf die einheitlichen, bleibenden Bedingungen seiner Begreifbarkeit
aufgenommen und durchgeführt sein. Sie hat unbedingt den logischen Vor-
rang vor jeder genetischen Erörterung. Es gibt nur Entstehung und Ge-
schichte von Etwas; und selbst im Begriffe des ‚Keimes‘' ist notwendig schon
der Gedanke des Gegenstandes enthalten, zu dem es eben der ‚Keim‘ ist.
Und so ist vor allem Sinn und Bedeutung eines Grundbegriffes — hier: des
Rechtes — sachlich unabhängig gegenüber den veränderlichen Einzeldaten
zu bestimmen, in denen er besondere Anwendung gefunden hat, selbst wenn
dies als die zeitlich erte Anwendung unseres systematischen Grundbegriffes dar-
getan werden würde,
Erstes Auftreten
des Rechtes.