Internationales
Privatrecht.
494 FERDINAND VON MARTITZ: Völkerrecht.
Rechtsschutz, begründet durch die Pariser Übereinkunft vom 20. März 1883
samt ihren Zusatzakten. Eine Revision hat der am 2. Juni I9II in Washington
gezeichnete Vertrag gebracht. Er gewährt für Erfindungspatente, Muster und
Modelle, für Fabrik- und Handelsmarken, für Firmen den ‚Angehörigen‘ eines
Vereinslandes den Schutz in jedem anderen, nach Maßgabe dortigen Rechtes.
Den analogen Rechtsschutz verleiht den ‚„Urhebern‘‘ die Berliner Union zum
Schutze von Werken der Literatur und Kunst vom 9. September 1886; revidiert
durch die Berliner Übereinkunft vom 13. September 1908.
V. Der Rechtsschutz im völkerrechtlichen Verbande.
I. Der Privatverkehr. Da die Völkerrechtsgemeinschaft ihren Gliedern
die gegenseitige Anerkennung ihres rechtlichen Bestandes als eine nicht ab-
zulehnende Pflicht auferlegt, so würde sie mit sich selbst in Widerspruch treten,
wollte sie dem Einzelstaate die Freiheit zusprechen, unter Berufung auf seine
territoriale Souveränität den in fremdem Lande geltenden Gesetzen die recht-
liche Bedeutung für seine eigene Rechtsordnung nach Willkür zu gewähren
oder zu versagen. Das fremde Recht hat er nicht als ein bloß tatsächliches Ver-
hältnis zu behandeln, sondern als Recht anzuerkennen, und in der Handhabung
von Recht und Gerechtigkeit sehen sie gemeinsam ihre oberste Aufgabe.
Hiernach ist kein Staat befugt, den im fremden Lande nach Maßgabe dort
geltenden Rechtes begründeten Rechtsverhältnissen der Individuen prinzipiell
die Anerkennung zu verweigern. Die Freiheit des internationalen Privatverkehrs
nötigt jeden von ihnen, nicht etwa aus bloßer Gefälligkeit für das Ausland (comitas
nationum), sondern um seines Rechtsberufes willen auch ausländisches Privat-
recht durch seine Behörden zur Anwendung zu bringen. Die Frage, nach welchen
Gesichtspunkten dies zu geschehen hat, inwieweit also Rechtssätze auch im
fremden Staats- und Machtgebiet wirken, ist ein bedeutungsvolles Anliegen der
Privatrechtswissenschaft. Da aber heutzutage die hierfür maßgebenden juristi-
schen Gesichtspunkte für alle privatrechtlichen Ordnungen der zivilisierten
Welt verwendbar sind, so hat sich eine neuerdings zu wissenschaftlicher Selb-
ständigkeit gelangte Theorie herausgebildet, deren Aufgabe es ist, die aus der
örtlichen Beziehung des einzelnen Rechtsverhältnisses sich ergebenden inter-
nationalen Kollisionsnormen festzustellen und systematisch zu entwickeln.
Nur ist der Inhalt dieser Theorie, das sog. internationale Privatrecht kein Be-
standteil der völkerrechtlichen Ordnung. In jüngster Zeit sind umfassende
Kollektivverträge europäischer Mächte erfolgreich bemüht, eine positivrecht-
liche Verständigung über derartige Kollisionsnormen herbeizuführen, unter
welchen die einer niederländischen Initiative zu verdankenden auf den Haager
Konferenzen von 1893, 1894, 1900 und 1904 entworfenen Konventionen als
verheißungsvolle Anfänge einer vertragsmäßigen Kodifikation des internationa-
len Privatrechts hervorzuheben sind. Eine noch weiter reichende Bedeutung
kommt zu den Bestrebungen, das landesrechtliche Privatrecht zu vereinheit-
lichen. Diese haben für das private Seerecht (Verträge vom 23. September I910
über Regeln, betreffend den Zusammenstoß von Schiffen und betreffend Hilfs-