498 FERDINAND VON MARTITZ: Völkerrecht.
nationale Recht kommen vornehmlich diese in Betracht. Hier geht die Ver-
tragschließung stets von der Regierung aus. Die Frage, welches staatliche
Organ zur Abgabe der entscheidenden Willenserklärung zuständig und unter
welchen Voraussetzungen es hierzu befugt sei, erhält durch die Verfassung eines
jeden der vertragenden Teile ihre Beantwortung. Insoweit aber Staatsverträge
bestimmt sind, auch landesrechtlich wirksam zu werden, also öffentliches Recht
im Vertragsstaat zu konstituieren, steht ihre Vollziehung, als die Erfüllung
- der von der Regierung gegebenen Vertragszusagen, unter den für Bildung
Vertragsform.
Beteiligung
dritter Mächte,
von Rechtssätzen landesrechtlich bestehenden Regeln.
Eine besondere Vertragsform kennt das Völkerrecht nicht; daher an sich
auch mündliche, auch geheime Abreden bindend sein können, wohingegen
der sog. modus vivendi bloß auf tatsächliche Leistungen von Fall zu Fall, unter
vorausgesetzter Erwiderung durch die Gegenpartei abzielt. Immerhin gilt heut-
zutage Schriftlichkeit als die allgemeine, schon vermöge der Unerläßlichkeit
ministerieller Kontrasignatur in monarchischen Staaten, nicht wohl abzu-
lehnende Regel; mag nun Unterzeichnung einer einzigen Urkunde oder Aus-
tausch übereinstimmender Erklärungen erfolgen. Und zwar pflegen die Re-
gierungen für Negotiation und Abschluß von Staatsverträgen sich speziell
bevollmächtigter Vertreter zu bedienen, so daß eine gesandtschaftliche Kreditive
nicht ausreicht. Doch genügt nach alten Herkommen die Willenseinigung der
Unterhändler noch nicht, um die Regierungen zu verpflichten. Vielmehr ist eine
besondere Ratifikation durch dieselben erforderlich, deren gegenseitige Mit-
teilung regelmäßig durch Auswechselung der darüber ausgestellten Urkunden
erfolgt. Erst mit diesem Moment ist der Vertrag perfekt. Auf die Ratifikation
kann verzichtet werden. Im Zweifel gilt sie als vorbehalten.
Für die Beteiligung einer dritten Macht an einem abgeschlossenen Staats-
vertrag kennt das geltende Völkerrecht zwei Rechtsformen: einmal den die
Akzeptation der vertragenden Teile voraussetzenden Akzessionsvertrag, durch
welchen der Beitretende als Hauptpartei Mitkontrahent wird und mit jedem
derselben in ein separates Vertragsverhältnis tritt; sodann die Adhäsion. Sie
erfolgt, im Falle, daß seitens der Signatare des Grundvertrags anderen Re-
gierungen der Beitritt offen gehalten wird, durch einseitige empfangsbedürftige
Willenserklärung. Im Zweifel können die Adhärenten nicht die Rechte von
Mitkontrahenten in Anspruch nehmen (G. F. de Martens, Nouveau Recueil
general de Traites? X 402).
Zur Herbeiführung eines Vertragsschlusses, namentlich in schwereren Kon-
fliktsfällen, können fremde Regierungen, teils auf Ansuchen, teils aus eigenem
Antriebe, teils kraft bestehender Verpflichtung, mitwirken. Auch hierfür
gibt es bestimmte Rechtsformen: einmal die gütliche Verwendung (bons oflices,
die guten Dienste), sodann die Mediation, wodurch eine Teilnahme an den Ver-
tragsverhandlungen verwirklicht wird. Eine solche bedarf der Einwilligung
der verhandelnden Mächte und bezweckt deren friedliche Verständigung. Eine
Verpflichtung wird nicht auferlegt. Beide Prozeduren sind auf den sog. Haager
Friedenskonferenzen von 1899 und 1907 einer speziellen Regelung unterworfen