Full text: Die Kultur der Gegenwart. Band 2.8. Systematische Rechtswissenschaft. (8)

Internationale 
Schiedsgerichte. 
504 FERDINAND VON MARTITZ: Völkerrecht. 
den Kriegszustand sehr nahe gerückt wird. Ein solches Hinübergleiten des ‚Re- 
pressalienkrieges‘‘ in den förmlichen Krieg, ohne. Kriegserklärung, gefährdet 
die Rechtssicherheit der nicht beteiligten Mächte. Das letzte Mittel, um Genug- 
tuung für erlittenes Unrecht und Schutz vor drohender Rechtsverletzung im 
Zwangswege zu erhalten, ist die Kriegserklärung. Daß dieses Mittel gerade 
für einen solchen Zweck sich als ein maßloses, prekäres, nur für den Starken ver- 
wendbares darstellt, liegt in der die Bedeutung eines rechtlichen Zwangsmittels 
weit überragenden Natur des völkerrechtlichen Krieges. Hier einzutreten ist 
die große Mission des internationalen Schiedsverfahrens. Eine Vorsorge für 
den speziellen Fall der Konflikte pekuniären Ursprungs hat die zweite Haager 
Friedenskonferenz von 1907 getroffen. Die Konvention II vom 18. Oktober 
1907 bestimmt für die Vertragsmächte, daß bei den aus Anleiheverträgen her- 
vorgehenden Forderungen Privater gegen einen fremden Staat, welche deren 
Regierung unter ihren Schutz nimmt, zur Waffengewalt von dieser erst dann 
geschritten werden darf, wenn ein von ihr angebotenes schiedsgerichtliches 
Verfahren durch den Schuldnerstaat abgelehnt oder böswillig vereitelt wird. 
4. Das schiedsrichterliche Verfahren. Um die Anwendung völker- 
rechtlicher Zwangsmittel zur Abwehr von Rechtsverletzungen auf die äußersten 
Fälle zu beschränken, haben im Streit befindliche Regierungen schon vom Mittel- 
alter her sich vielfach des Kompromisses (Austragsverfahren) bedient. In.neuerer 
Zeit ist aueh eine Verpflichtung hiezu gelegentlich des Abschlusses von Staats- 
verträgen durch eine diesen eingefügte spezielle kompromissarische Klausel 
übernommen worden. Die letzten Jahre haben eine überaus große Anzahl all- 
gemein lautender Schiedsabreden gebracht, wofür die zwischen Großbritannien 
und Frankreich geschlossene Übereinkunft vom 14. Oktober 1903 vorbildlich 
gewesen ist. Die Vertragspflicht geht dahin, für jeden Streitfall, sofern er eine 
Rechtsfrage impliziert, ein Kompromiß zu schließen. Bezeichnenderweise werden 
ausgenommen solche Fälle, welche die vitalen Interessen, die Unabhängigkeit, 
die Ehre der vertragenden Teile oder die Interessen dritter Mächte berühren 
(0. S. 501). Dem weitergehenden, auf der II. Haager Friedenskonferenz von 
1907 eingebrachten Vorschlage, möglichst die gesamte Staatenwelt durch einen 
Weltschiedsvertrag zu einem universellen Schiedsverbande mit vorbehaltlosem 
Kompromißzwang für gewisse listenmäßig aufgeführte Streitsachen zu ver- 
einigen, ist keine Folge gegeben worden. 
Doch hatte bereits die erste Haager Konferenz von 1899 zu einer zukunfts- 
reichen organisatorischen Einrichtung der völkerrechtlichen Schiedsgerichts- 
barkeit geführt. Es ist ein großer Staatenverein gebildet worden, welcher in Ge- 
mäßheit der damals abgeschlossenen Convention dour le reglement pacifique des 
conflits internationaux vom 29. Juli 1899 im Jahre 1902 ins Leben getreten, 
bereits bis jetzt eine höchst bedeutende rechtsprechende Wirksamkeit ent- 
faltet hat. Eingesetzt ist worden eine Cour dDermanente d’arbitrage mit dem Sitze 
in Haag, welche angerufen werden kann durch speziellen Schiedsvertrag der 
im Rechtsstreit befangenen Parteien. Für jeden Streitfall wird das Tribunal
	        
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