VII. Die Organisation des amtlichen Staatenverkehrs. ı. Die Diplomatie. 505
aus den Mitgliedern des Schiedshofs gebildet. Es entscheidet en appliquant
les princibes du droit international. Als ständige Organe des Vereins fungieren
ein internationales Bureau und ein Verwaltungsrat. Die Kosten werden durch
Matrikularbeiträge aufgebracht. Ein neuer, auf der zweiten Haager Konferenz
von 1907 von allen Konferenzmächten signierter, wenn auch noch nicht (31. De-
zember 1912) allseitig ratifizierter Vertrag, die Convention I vom 18. Ok-
tober 1907, bestimmt den von I907 zu ersetzen, bringt wesentliche Verbesse-
rungen des ersteren. Aber das gleichzeitig entworfene Projekt, neben dem
Haager Schiedshof noch einen ständigen, mit besoldeten Richtern besetzten
Schiedsgerichtshof, gleichfalls mit dem Sitze in Haag zu errichten, der die ver-
schiedenen Rechtssysteme der Welt vertreten und die Stetigkeit der schieds-
gerichtlichen Rechtsprechung sicherstellen soll, hat zunächst keine allgemeine
Annahme gefunden, da man sich über dessen Zusammensetzung nicht einigen
konnte.
Das gleiche vorläufige Schicksal, wenn auch aus sachlichen Gründen, hat
betroffen eine weitere, großartig gedachte Rechtsschöpfung der zweiten Haager
Konferenz von 1907, nämlich den durch die Convention XII, relative a
l’ Etablissement d’une Cour internationale des prises, vom 18. Oktober 1907, in
Aussicht genommenen und bereits bis in die Einzelheiten von Verfassung, Zu-
ständigkeit und Verfahren geordneten ständigen internationalen Prisenhof.
Er ist geplant als eine prisengerichtliche Rekursinstanz, bei deren Formation
46 namentlich aufgeführte Mächte nach einem kunstvoll ausgedachten Schema
beteiligt sein werden. Auch diese Konvention, das wichtigste Ergebnis der
jüngsten Haager Konferenz, ist bis jetzt nicht zur Verwirklichung gelangt.
Sie enthält die denkbar höchste Steigerung des Schiedsgerichtsgedankens:
kein Kompromiß, keine Richterwahl, unbedingter Einlassungszwang für die
vorgesehenen streitigen Prisenfälle; also eine erstaunliche Annäherung an die
ordentliche Gerichtsbarkeit des Einzelstaats. Immerhin wird auch die inter-
nationale Prisenjustiz doch eben nur die Einrichtung eines Staatenvereins sein
und in dem Parteiwillen ihren eigentlichen Rechtsgrund finden.
VII. Die Organisation des amtlichen Staatenverkehrs.
I. Die Diplomatie. Seitdem die europäischen Mächte sich nach dem
Zerfall der mittelalterlichen Ordnungen zu einer großen Staatenfamilie ver-
einigt wußten, empfanden sie das Bedürfnis behufs Unterhaltung ihrer Gegen-
seitigkeitsbeziehungen, deren sorgfältige Pflege als eine wesentliche Bedingung
für die innere Wohlfahrt erschien, in regelmäßigem Verkehr miteinander zu
stehen. Da nun hierfür weder die Absendung von Boten, noch die schriftliche
Korrespondenz von Behörden, noch persönliche Zusammenkünfte der Souveräne
oder ihrer Räte als ein angemessener und ausreichender Weg erschienen, so hat
sich seit dem 15. Jahrhundert, ausgehend von Italien, der Heimat moderner
Politik, eine besondere amtliche Verkehrsform Bahn gebrochen, deren Wesen
die gegenseitige Abordnung, Zulassung und fremdenrechtliche Sonderstellung
ständiger Geschäftsführer ist. Sie bildete seit dem Westfälischen Frieden eine
Oberblick.