Geschichtliche
Entwicklung.
Der konsu-
larische Dienst.
508 FERDINAND VON MARTITZ: Völkerrecht.
abhängigkeit ist ein dem sendenden Staate zugefügtes Delikt; ist diese doch
die oberste Voraussetzung alles diplomatischen Verkehrs. Gegen Anwendung
gesetzlichen oder behördlichen Rechtszwanges sind sie durch das Exterritoriali-
tätsprivilegium geschützt. Für das von ihnen begangene Unrecht hat sie der
Heimatsstaat zu gerichtlicher Verantwortung zu ziehen. Im übrigen wird ihnen
die Ausübung obrigkeitlicher Rechte über ihre Nationalen und etwaige Schutz-
genossen zugestanden; freilich innerhalb der Länder europäischer Zivilisation nur
in geringem Umfange, nämlich in Beschränkung auf Akte freiwilliger Gerichts-
barkeit. An den gesandtschaftlichen Vorrechten sind auch die Gesandtschafts-
angehörigen beteiligt, sofern sie nicht etwa Angehörige des Empfangsstaates sind.
2. Das Konsulatswesen. Die in den Handelsstädten des südlichen
Europas schon im Mittelalter bestehende Institution der Handelsrichter (con-
sules mercatorum) wurde beim Aufblühen des Handelsverkehrs mit der Le-
vante auch auf die dortigen Kolonien übertragen. Die Konsuln ‚d’outre mer“
übten als deren Vorstände Jurisdiktion über ihre Landsleute nach heimischem
Recht. Auch nach der Eroberung von Konstantinopel durch die Türken und
der Unterwerfung der sarazenischen Reiche sicherten die abendländischen Re-
gierungen sich den Fortbestand der Exterritorialität ihrer Nationalen durch die
Erwirkung von Kapitulationen. In dieser Bedeutung haben sich die konsu-
larischen Einrichtungen nicht allein im Orient bis in die Gegenwart erhalten,
sondern sind auch auf die erst neuerdings in den völkerrechtlichen Verband
aufgenommenen Länder nichtchristlicher Zivilisation übertragen worden. Im
Abendland fanden sie gleichfalls unter verschiedenen Benennungen Eingang.
Nur haben sie hier gegenüber der sich entfaltenden territorialen Souveränität
ihren richterlichen Charakter nicht zu bewahren vermocht. Die Konsuln wurden
hier zu bloßen Handelsagenten, welche die Staaten in gegenseitigem Einver-
ständnis in ausländischen Plätzen oder Häfen bestellten. Mit der Steigerung
des internationalen Verkehrs in der Neuzeit ist auch dieser Art amtlicher Re-
präsentation der Regierungen im Auslande eine immer höher werdende Wert-
schätzung zuteil geworden. Sie hat durch zahlreiche Staatsverträge nach dem
Muster derjenigen, welche Frankreich mit Spanien am 15. März 1769 und mit
der jungen amerikanischen Union am 14. November 1788 abschloß, nicht minder
durch Landesgesetze, für welche die französischen Ordonnanzen von 1833 vor-
bildlich wurden, eine sorgfältige Pflege gefunden.
Heutzutage gelten in völkerrechtlicher Anerkennung als die eigentlichen
Funktionen der Konsulate zunächst die amtliche Fürsorge für die Handels-,
Schiffahrts- und Verkehrsinteressen ihres Landes, zumal die Kontrolle über
Erfüllung der in den Verträgen darüber gegebenen Zusagen seitens der zu-
ständigen Behörden. Politische Beziehungen haben sie nicht zu pflegen, es müßte
denn sein, daß Gesandtschaften zugleich mit der Wahrnehmung konsularischer
Obliegenheiten betraut, oder daß Konsuln zugleich als diplomatische Agenten
akkreditiert würden. Sodann haben die Konsulate den Nationalen und Schutz-
genossen erforderlichenfalls Schutz, Beistand, Unterstützung zu gewähren und