516 FERDINAND VON MARTTTZ: Völkerrecht.
vom 27. Juli bis 28. August 1874 tagende internationale Konferenz unternom-
men. Im Anschluß an diesen Entwurf ist dann von der Haager Friedenskon-
ferenz des Jahres 1899 das Röglement concernant les lors et coutumes de la guerre
sur terre festgestellt worden, ein ausgereiftes Werk internationaler Rechts-
politik. Es bildet, 60 Artikel umfassend, die Anlage zu der auf jener Kon-
ferenz vereinbarten (zweiten) Konvention vom 29. Juli 1899, durch welche die
vertragenden Teile sich gegenseitig verpflichtet haben, für den Fall eines zwischen
ihnen ausbrechenden Krieges ihren Landheeren die dem Reglement entsprechen-
den Instruktionen zu erteilen. Die Zahl der beigetretenen Staaten ist eine
große; gegenüber den nicht beigetretenen gelten die Regeln des, im einzelnen
vielfach weniger bestimmten, also härteren allgemeinen Völkerrechts weiter.
Gleichzeitig mit der Konvention wurden im Haag drei Deklarationen als selb-
ständige Verträge angenommen, welche sich als Erweiterungen der erwähnten
Petersburger Deklaration vom II. Dezember 1868 darstellen. Aber auch zur
Ausgestaltung des Seekriegsrechts hat die Haager Konferenz von 1899 einen
vielverheißenden Schritt getan, indem von den Konferenzmächten ein spezielles
Abkommen (das dritte), die Convention dour l’adadlation d la guerre marttime
des princides de la convention de Geneve vom 29. Juli 1899 gezeichnet und fast
allseitig ratifiziert worden ist. Ein ergänzender Haager Vertrag vom 21. De-
zember 1904 bezweckt den Schiffen, welche den Dienst des roten Kreuzes in
den Seekriegen übernehmen, ihre Aufgabe zu erleichtern.
Die zweite Friedenskonferenz von 1907 hat dann jene beiden Abkommen,
ebenso wie das erste, das Schiedswesen betreffende, revidiert und ergänzt.
Ihre Konventionen IV und X vom 18. Oktober 1909 sind bestimmt, dieselben
(für die Beitretenden) zu ersetzen. Daneben hat sie in einer Reihe weiterer
Übereinkünfte, Konvention III—V, Festsetzungen für den Landkrieg und,
Konvention VI—XIII, für den Seekrieg getroffen, von welchen die bedeutendste
ist die zwölfte, die bereits erwähnte Convention relative 4 l’&tablissement d'une
Cour internationale des prises, „eine Revolution auf dem Gebiete des Völker-
rechts‘ (M. Huber).
Die Schwierigkeiten, die sich bei den vielfach streitigen und unsichern
Rechtsbeziehungen zwischen Neutralen und Kriegführenden der Einrichtung
einer internationalen Prisenjustiz entgegenstellen, gaben im Jahre 1908 der
englischen Regierung die Anregung, eine Konferenz von zehn Seemächten nach
London einzuberufen. Ihr Werk war die Declaration relative au droit de la
guerre maritime vom 26. Februar 1909. Diese stellt sich als eine Kodifikation
des Neutralitätsrechts im Seekriege dar und ist bestimmt, den anderen Mächten
zum Beitritt vorgelegt zu werden. Die bereits in Aussicht genommene dritte
Friedenskonferenz soll der Ausarbeitung eines Röglement relatif aux loıs et
coutumes de la guerre maritime, nach dem Muster der Landkriegsordnung von
1899 und 1907, gewidmet sein.
Wie man sieht, ist der formelle Rechtsbestand für diese völkerrechtliche
Materie ein nicht abgeschlossener, in der Entwicklung begriffener, und vermöge
des Umstandes, daß manche der aufgezählten Konventionen nicht, oder noch