Full text: Die Kultur der Gegenwart. Band 2.8. Systematische Rechtswissenschaft. (8)

VIII. Der Krieg und sein Recht. 3. Die militärischen Streitkräfte. 517 
nicht, oder nur mit Vorbehalten, von den zahlreichen Konferenzmächten rati- 
fiziert worden sind, wenig übersichtlich. Das darf aber nicht abhalten, die 
kriegsrechtlichen Verträge um der autoritativen Bedeutung willen, die ihnen 
als Konferenzbeschlüssen innewohnt und die sie vielfach geradezu als Ausdruck 
modernen Rechtsbewußtseins über das Phänomen des Krieges erscheinen läßt, 
in die folgende auf die Einzelheiten des gegenwärtigen Land- und Seekriegs- 
rechts eingehende Darstellung aufzunehmen. Hierbei werden die Konventionen 
der zweiten Friedenskonferenz von 1907 mit HC und der entsprechenden Nummer 
abkürzend zitiert; die zur Konvention IV gehörige Landkriegsordnung mit 
LKO; die Londoner Seekriegsrechtsdeklaration von 1909 mit LD. 
3. Die militärischen Streitkräfte. Der Kriegszustand ergreift alle An- 
gehörigen der kämpfenden Staaten. Sie sind niemals neutrale Personen. Da 
aber der Krieg nur ein Verhältnis zwischen organisierten Staatsgewalten ist, 
so besteht nur für die Glieder der bewaffneten Macht, nicht aber für die fried- 
liche Bevölkerung ein aktiver Kriegsstand. Vermöge desselben sind nur jene 
die persönlichen Objekte für Angriff und Verteidigung. Dagegen Privatpersonen 
haben nur passiven Kriegszustand. Sie müssen für ihre Person und ihr Ver- 
mögen die militärischen und polizeilichen Maßregeln der feindlichen Staats- 
gewalt auf dem Kriegsschauplatze, dem territorialen wie dem maritimen, über 
sich ergehen lassen, gleichviel ob sie Inländer oder Fremde sind. Aber Indi- 
viduen, welche auf eigene Hand zu Lande oder zu Wasser Feindseligkeiten 
üben: Freibeuter, Parteigänger, Guerillas, Franktireurs; desgleichen solche, 
welche die Bedingungen des Waffenstillstandes verletzen, LKO. A. 4ıI, werden 
nicht als Kriegsfeinde, sondern als Verbrecher behandelt. Eine ihnen etwa er- 
teilte öffentliche Autorisation kann daran nichts ändern. Humanität auch für 
den Soldaten! Hiernach besitzen den aktiven Kriegsstand einmal der Souverän 
nebst seinen Familiengliedern, selbst wenn sie nicht Militärs sind; doch wohl 
auch das republikanische Staatsoberhaupt. Nur gilt es wider die Kriegsmanier, 
wissentlich Kampfakte gegen sie vorzunehmen. Vor allem kommt er aber zu 
der aufgestellten bewaffneten Macht des Staates. Dazu gehören nicht allein 
die regulären Streitkräfte, sondern auch die nicht einen Bestandteil der Armee 
und Flotte ausmachenden Truppenteile: Nationalgarden, Milizen, Freischaren, 
Freikorps, freiwillige Seewehr. Doch gilt die Voraussetzung, daß sie unter ver- 
antwortlichen Führern stehen, daß sie sichtbare Abzeichen tragen, daß sie offene 
Waffen führen und die Regeln des Kriegsrechts befolgen. Die LKO. A. 2 will 
von der Anforderung militärischer Organisation abgesehen wissen gegenüber 
dem aus eigenem Antriebe zu den Waffen greifenden Volksaufgebot; aber nur 
in einem durch die vordringende feindliche Kriegsmacht tatsächlich nicht be- 
setzten Gebiete. Der Bedingung offner Waffenführung und der Beobachtung 
der Kriegsmanier muß auch hier entsprochen werden. Von der Staatsange- 
hörigkeit wird der aktive Kriegsstand nicht abhängig gemacht. Aber er kommt 
zu den Nichtkombattanten, d. h. solchen Personen, die nur zu Dienstleistungen 
für die bewaffnete Macht bestimmt sind, LKO. A. 3. 
Aktiver 
Kriegarustand.
	        
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