Full text: Die Kultur der Gegenwart. Band 2.8. Systematische Rechtswissenschaft. (8)

Die Kriegsschiffe. . 
Die Kaperschifle. 
518 FERDINAND VON MARTITZ: Völkerrecht. 
Der Seekrieg wird, seitdem im Laufe des 17. Jahrhunderts die Flotten der 
seefahrenden Nationen von ihrer mittelalterlichen Verbindung mit den für den 
Handelsverkehr bestimmten Schiffen gelöst und zu einem Element staatlicher 
Wehrkraft geworden waren, lediglich durch Kriegsschiffe (S. 488) geführt. 
Schiffe unter Handelsflagge sind nicht berechtigt, die den Belligerenten auf 
hoher See zustehenden Befugnisse gegenüber Neutralen zu üben. Wollten sie 
gar an den Feindseligkeiten sich unmittelbar beteiligen, so käme ihnen, wenn 
sie feindlich sind, der Schutz des Prisenrechts nicht zugute und ihre Besatzung 
würde kriegsgefangen werden, HC. XI A.8. Aber als Rest mittelalterlicher 
Kriegführung hat sich bis auf die neueste Zeit die Kaperei (la course) er- 
halten. 
Unter Kaper (armateur, privateer) versteht man die Kapitäne der von 
Privaten für eigene Rechnung kriegsmäßig-ausgerüsteten und besetzten Schiffe, 
welche von einer kriegführenden Macht schriftliche Vollmacht (lettre de 
marque, commission, Kaperbrief) erhalten haben, nach Maßgabe derselben 
Feindseligkeiten auf eigene Hand zu üben und den Neutralen gegenüber das 
völkerrechtliche Prisenrecht geltend zu machen, beides in Verantwortlichkeit 
gegen die Admiralität. Kaperschiffe werden als Teil der feindlichen Seestreit- 
kräfte, die Mannschaft als rechtmäßige Feinde behandelt. Sie. fahren unter 
besonderer Kriegsflagge. Die aufgebrachte Prise wird, wenn sie gut ist, ihnen 
zuerkannt. Völkerrechtswidriges Verhalten entzieht ihnen die Rechte der 
Kriegführenden und macht sie zu Piraten. Die Erteilung von Kaperbriefen 
an ein neutrales Fahrzeug ist völkerrechtlich an sich nicht verboten, aber die 
neutrale Regierung müßte ihm ihren Schutz entziehen. Ein Pirat wäre es nicht, 
es müßte denn sein, daß es von beiden Parteien Kaperbriefe ähme. 
Die Kaperei stammt aus dem mittelalterlichen Repressalienbrauch. In 
größerem Maßstab erfolgte ihre Zulassung im niederländisch-spanischen Un- 
abhängigkeitskriege. Sie wurde zu einem regelmäßigen Kriegsmittel im 17. Jahr- 
hundert, als die Seekriege begannen Handelskriege zu werden. Noch im ameri- 
kanischen Freiheitskriege und in den Koalitionskriegen gegen das republi- 
kanische und imperialistische Frankreich, als das in zügelloser Wildheit be- 
triebene Unwesen seinen Höhepunkt erreichte, blieb die Legalität des Kriegs- 
mittels unangefochten. Erst der orientalische Krieg (1854—1856) fand die 
streitenden Mächte zu einem Verzichte bereit. Dieser ist dauernd geworden 
durch die Pariser Seerechtsdeklaration vom 16. April 1856. Deren Regel l 
lautet: La course est et demeure abolie. Aber die amerikanische Union hat, wie 
oben erwähnt, den Beitritt abgelehnt und ihre Adhäsion abhängig gemacht 
von der Annahme eines Zusatzartikels (Amendement Marcy vom 28. Juli 1856), 
wonach überhaupt das Privateigentum von Angehörigen eines kriegführenden 
Staates auf hoher See der Wegnahme durch Kriegsschiffe des Gegners nicht 
unterliegen soll. 
Damit ist denn allerdings die Beseitigung der Kaperei aus dem Seekriegs- 
recht noch immer keine endgültige. Tatsächlich möchte sie wohl, bei der überall 
nach den Präzedenzfällen seit dem deutsch-französischen Kriege (Deutscher
	        
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