Wesen der
wissenschaft-
licben
Behandlung.
Die Grund-
begriffe
des Rechtes.
Die Grund-
aufgaben
des Rechtes.
34 RUDOLF STAMMLER: Wesen des Rechtes und der Rechtswissenschaft.
inhalte. Das Wesen einer wissenschaftlichen Behandlung liegt jedoch nicht
in dem behandelten Stoffe, sondern in der formalen Art und Weise der
Erwägung. Es kommt darauf an, daß bestimmbare Eindrücke und Strebungen
nach einem unbedingt einheitlichen Grundplan geordnet werden. Da-
nach ist der Charakter einer Wissenschaft nicht von der bearbeiteten Ma-
terie abhängig, sondern von den reinen Formen, in denen jene bearbeitet
wird. Es wird also Jurisprudenz dann als Wissenschaft aufgewiesen sein,
wenn das System jener notwendigen Bedingungen dargelegt ist, in denen
alle möglichen rechtlichen Fragen in einheitlichen formalen Gedanken-
gängen bestimmt und gerichtet werden.
Alle Rechtsfragen sind nun — im Bilde einer Scheibe mit konzentrischen
Kreisen — um einen Mittelpunkt gelagert, der den Begriff des Rechtes vor-
stellt. Denn da sie ‚‚rechtliche‘‘ Erwägungen sein sollen, so müssen sie, wie
immer sonst ihr Inhalt sei, in jedem Falle ım Sinne des Rechtsgedankens be-
stimmt sein. Ohne diese einheitliche Art und Weise des Zusammenziehens
würden die rechtlichen Sätze und Einrichtungen eine wilde und wirre Masse
bilden, die im Laufe der Geschichte unübersehbar entstehen. Um aber jene
gleichmäßige Weise des Sichtens und Bestimmens durchführen zu können,
brauchen wir grundlegende Methoden des Ordnens. Diese notwendigen
Bedingungen der einheitlichen Erfassung von Einzelheiten nennen wir die
Kategorien oder die Grundbegriffe des Rechtes.
Sie müssen schlechterdings für jedes denkbare Recht verwendbar sein,
sonst ist eine durchgreifende Ordnung im Sinne einer wissenschaftlichen
Erkenntnis unmöglich.. Allem Rechte, das jemals geschichtlich werden kann,
ist aber nur der Begriff des Rechtes selbst gemeinsam. Folglich können
die reinen rechtlichen Grundbegriffe nur Gedankenrichtungen sein, die in dem
Rechtsbegriffe selbst enthalten sind. Solcher bestimmender Richtlinien weist
nun unser Begriff vier an der Zahl auf. Daraus ergeben sich folgende Kate-
gorien des Rechtes, die bei jedem Satze, den jemand als einen ‚rechtlichen‘
ausspricht, unweigerlich bedingend enthalten sind:
Rechtliche Kategorien
des Wollens: Rechtssubjekt — Rechtsobjekt,
des Verbindens: Rechtsgrund — Rechtsverhältnis,
der Selbstherrlichkeit: Rechtshoheit — Rechtsunterstelltheit,
der Unverletzbarkeit: Rechtmäßigkeit — Rechtswidrigkeit.
Diese Grundbegriffe des Rechtes haben nun neben sich die Grundauf-
gaben des Rechtes. Es sind gewisse Fragen, die an jedes Recht gerichtet
werden, bloß weil es „Recht‘‘ ist, und ohne einer bestimmten Antwort vor-
zugreifen. Nur die Art der Frage ist bei allen rechtlichen Möglichkeiten gleich-
mäßig, die Lösung kann jedoch ganz verschieden ausfallen.
Welches sind nun die Aufgaben, die schlechterdings jedes Recht sich
zu stellen hat? Es ist klar, daß dabei in der Frage noch nichts von bedingtem
Rechtsstoffe enthalten sein darf. Es ist alles wegzulassen, was nur unter der