Full text: Die Kultur der Gegenwart. Band 2.8. Systematische Rechtswissenschaft. (8)

VIII. Der Krieg u.s. Recht. 4. Die Kriegsführung u.ihreMittelim Land-u.Seekriege. 523 
zurückerstattet. Illegale Kaptur macht den Nehmestaat, sofern die Rückgabe 
nicht in natura erfolgen kann, ersatzpflichtig; HC. XII A. 8. Über die noch 
vorhandene, als gut befundene Prise verfügt er gemäß eigenem Recht nach 
eigenem Ermessen. 
In diesem Bestand vielverschlungener Sätze ist das Seebeuterecht gelten- 
des, ursprünglich aus dem mittelalterlichen Repressalienbrauch stammendes 
Recht. Als im Zeitalter Ludwigs XIV. die handelspolitischen Interessen domi- 
nierend in den Vordergrund der auswärtigen Politik traten, brachte es die Auffas 
sung der Seestaaten zu fürchterlichem Ausdruck, daß nicht allein dieZerstörung der 
Kriegsmarine, sondern vor allem die Vernichtung des feindlichen Seehandels, als 
einer Hauptquelle nationaler Macht, das gegebene Kriegsziel sei. Alle die seit dem 
18. Jahrhundert immer wiederholten Bestrebungen, Anregungen, Versuche, das her- 
gebrachte Seebeuterecht vertragsmäßig oder landesgesetzlich zu beseitigen oder 
zu beschränken und damit den Seekrieg dem Landkriege gleich zu gestalten, sind, 
mit einziger Ausnahme des die Kaperei treffenden Verdiktes, ohne allgemeinen 
Erfolg geblieben. Ja heutzutage begegnen sie einer zunehmenden Abneigung 
der zur See führenden Mächte. Dem der Schlußakte der Haager Konferenz vom 
‚29. Juli 1899 einverleibten Wunsche, der von den Vereinigten Staaten von 
Amerika gemachte, auf Unverletzlichkeit des Privateigentums im Seekriege 
gerichtete Vorschlag möge auf einer weiteren Konferenz geprüft werden, hatte 
weder England, noch Frankreich, noch Rußland zugestimmt. Sie enthielten sich 
der Abstimmung. Als dann auf der zweiten Friedenskonferenz von 1907 die große 
Frage in ausführlichen, tief gehenden, unter der lebhaften Teilnahme fast aller 
beteiligten Regierungen geführten Kommissionsverhandlungen zur Verhandlung 
kam, erklärten sich nicht bloß jene Großmächte, sondern auch Japan und 
Spanien, Argentina und Kolumbia als entschiedene Gegner des von den Ver- 
einigten Staaten von Amerika formulierten Antrags. Deutschland stimmte 
diesem zu, unter Voraussetzung einer allgemeinen Verständigung über spezielle 
seerechtliche Vorfragen, namentlich der Kriegskonterbande und des Blockade- 
rechts (Actes et documents III, 809. 834). Italien und Österreich-Ungarn 
nebst weiteren Adhärenten traten lebhaft für ihn ein. Aber ein Einverständnis 
wurde nicht erreicht. Die Beratungen blieben ohne sichtbares Ergebnis. — 
Unter den Gründen, die für die Beibehaltung des übernommenen Rechtszu- 
standes angeführt werden, sind die vornehmsten: daß auf die Möglichkeit, die 
seewirtschaftliche Widerstandskraft des Feindesdurch Kreuzerkriegzuschwächen, 
nicht verzichtet werden könne und den Seemächten, die im Einzelfall nicht in 
der Lage wären, eine feindliche Küste zu blockieren, ein Verzicht auf diese 
wirksame Waffe nicht zuzumuten sei; daß das Kriegsrecht zu Lande eine Ana- 
logie nicht zulasse und die militärische Besetzung des Territoriums in viel 
höherem Maße die finanzielle Widerstandsfähigkeit des Gegners unterbinde; 
daß die Handelsmarine geeignet sei, eine unmittelbare Verwendung für Kriegs- 
zwecke zu finden und die Freigebung des Seeverkehrs gerade ein Mittel sein 
würde, die feindliche Kriegsrüstung zu stärken; daß endlich mit der vielberufenen 
Humanität im Kriege die Angelegenheit nichts zu tun habe, im Gegenteil die
	        
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